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  Wilhelm Zimmermann
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Wilhelm Zimmermann

Wilhelm Zimmermann (1807- 1878)

Wilhelm Zimmermann, der Name dürfte nur wenigen bekannt sein. Dennoch war er eine bedeutende Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts, die Beachtung verdient hätte über das Maß hinaus, wie es geschehen ist. Sein Buch „Der Deutsche Bauernkrieg" wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Standartwerk über die Geschichte des deutschen Bauernkrieges. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es in der DDR noch einmal aufgelegt worden. Im Westen Deutschlands geriet zunehmend in Vergessenheit. Diese Haltung wurde begründet mit „neuesten Forschungen", die das Buch Wilhelm Zimmermanns als „überholt" erscheinen ließen. Die Geschichts- und Quellenforschung bleibt nicht stehen, besonders technische Erneuerungen ermöglichen tieferes und umfassenderes Eindringen in der Auswertung der vorhandenen Quellen.

Dennoch ist bei dem Begriff „neueste Erkenntnisse" Vorsicht angebracht. Solche Erkenntnisse dienen zeitweilig dazu, Forschungsergebnisse und Quellenauswertung dem Zeitgeist anzupassen.

Wilhelm Zimmermann hat als Pfarrer, Publizist, Schriftsteller und Politiker Herausragendes geleistet. Selten ist es in der Geschichte gelungen Tradition und Moderne miteinander zu verknüpfen, wie es Wilhelm Zimmermann gelungen ist.

Darum besitzen sein Buch und sein Werk zeitlose Gültigkeit.

                                        

Einleitung

Wilhelm Zimmermann war als schwäbischer Pfarrer zugleich auch Historiker des deutschen Bauernkrieges. Es wird neben seinem Beruf ein Lebensweg von beachtlicher Vielseitigkeit erkennbar.

Wilhelm Zimmermann war Doktor der Philosophie, Pfarrer, Professor an der Polytechnischen Hochschule, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und des Württembergischen Landtages. Er war Dichter, Philologe und Historiker.

Er steht als Historiker der heutigen sozialgeschichtlichen Forschung näher als der Historismus. Vor uns entsteht eine Biographie, die gekennzeichnet ist von glänzenden Erfolgen und Niederlagen mit besonderen Härten.

Er war bekannt und befreundet mit den schwäbischen Geistesgrößen der Zeit, mit David Friedrich Strauß, Friedrich Th. Vischer, Eduard Mörike, und Wilhelm Waiblinger.

Sein umfangreiches Werk über den deutschen Bauernkrieg, das 1843 erstmalig veröffentlicht wurde, hat schon zu seinen Lebzeiten – seine Lebensspanne reicht von 1807 bis 1878- Beachtung gefunden und Einfluss ausgeübt auf demokratische und sozialistische Strömungen der Zeit. Friedrich Engels hat sein Buch über den deutschen Bauernkrieg, nach eignem Bekunden, auf das Buch Zimmermanns gestützt.

Gerhart Hauptmanns Drama „Florian Geyer" hatte Zimmermann Bauerkriegsdarstellung als Vorgabe. Ausgiebig herangezogen haben das Werk Zimmermanns führende Sozialdemokraten der Zeit: August Bebel, Karl Kautsky, und Franz Mehring. Rosa Luxemburg gibt Zimmermanns Bauernkriegsdarstellung gegenüber der von Friedrich Engels herausgegebenen Bauernkriegsgeschichte den Vorzug.

Rosa Luxemburg äußert dazu: „Engels gibt eigentlich keine Geschichte, sondern bloß eine kritische Philosophie des Bauernkrieges; das nahrhafte Fleisch der Tatsachen bietet Zimmermann."

Zimmermanns Eltern lebten in ärmlichen Verhältnissen. In seiner Kindheit wurde er pietistisch erzogen. Auf seinem Bildungsweg gelangte er in das „Tübinger Stift", das vor ihm schon Persönlichkeiten der deutschen Geistesgeschichte wie Hegel, Schelling, und Hölderlin

beherbergt hatte. Im Stift wurde er zum radikalen Hegelianer. In seiner politischen Laufbahn finden wir ihn als radikalen Demokraten wieder. Unter dem Einfluss seiner Frau brach er später mit dem Atheismus der Junghegelianer.

Sein Leben mit seinen Höhen und Tiefen beschloss er als Stadtpfarrer von Owen auf der Schwäbischen Alb.

Am Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Zimmermann einen führenden Platz in der Bauernkriegsliteratur eingenommen. Erst die moderne Forschung und ihre Ergebnisse haben ihn etwas in den Hintergrund treten lassen, aber nicht verdrängen können. Im 19. Jahrhundert war es die Demokratiebewegung und noch mehr die aufkommende Sozialdemokratie und ihre Führungspersönlichkeiten, die in ihrem politischen Kampf für die soziale und gesellschaftliche Besserstellung der Arbeiter aus Zimmermanns Bauernkriegshistorie schöpften. Als 1848 die revolutionäre Stimmung Deutschland erfasste, war Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte fünf Jahre alt und hatte im politischen Leben der Zeit einen Bekanntheitsgrad erlangt. Das liberale Bürgertum und das Bildungsbürgertum versagten Zimmermann die Anerkennung. Gerhard Hauptmanns Drama „Florian Geyer", das 1896 in Berlin uraufgeführt wurde, fiel durch. Erst in der Zeit der Weimarer Republik fand es beim Theaterpublikum über die Gesellschaftsschichten hinweg breitere Akzeptanz.

Der sozialdemokratische Politiker und spätere württembergische Staatspräsident, Wilhelm Blos, gab das umfangreiche Werk Zimmermanns zweimal 1891 und 1913 heraus. 1913 mit der Zusatzbezeichnung: „Billige Volksausgabe".

Um eine größere Breitenwirkung zu erzielen, erschien 1912 eine stark gekürzte Ausgabe im Taschenbuchformat, herausgegeben von Franz Gansberg, mit der Bezeichnung: „Wissenschaftliche Volksbücher". 1933 erschien eine Neuauflage, bearbeitet von Gottfried Falkner, der in dem damals aufkommenden Geist der Zeit seine Einführung gestaltet hatte. 1976 wurde das Buch in der DDR aufgelegt und in West-Berlin in Lizenz gedruckt. Alle die genannten Auflagen sind Bearbeitungen und Kürzungen der noch von Zimmermann 1856 überarbeiteten und herausgegebenen Originalausgabe.

Die aufgeführten Auflagen sollen in der folgenden Arbeit untersucht und die Intentionen der einzelnen Herausgeber betrachtet werden, denn zu den verschiedenen Zeiten ist Zimmermanns Werk unterschiedlich interpretiert und den verschiedenen politischen Strömungen dienstbar gemacht worden.

Hinzu kommt noch die Zimmermann- Biographie Friedrich Winterhagers, mit der Zimmermanns Lebensweg und sein literarisches Schaffen in Zusammenhang gebracht werden.

 

I. Wilhelm Zimmermann der Historiker des Bauernkrieges

Der deutsche Bauernkrieg, der um das Jahr 1525 seinen revolutionären und mit dem Einsatz ausgesuchter Grausamkeiten seinen Höhepunkt fand, erfuhr im 19. Jahrhundert eine besondere Beachtung. Hierin liegt Zimmermanns besonderes Verdienst. Ihm war es gelungen in der revolutionsbewegten Zeit vor und nach 1848 die Aufmerksamkeit auf ein großes revolutionäres Ereignis der Deutschen Geschichte zu lenken. Das war der Bauernkrieg zur Zeit der Reformation. Zimmermann hatte ein Gespür für die Sehnsucht der Menschen nach Rechten und Freiheiten, die zu seinen Lebzeiten auf verschiedenen Feldern nach Ausbruch und Durchbruch strebten. Nicht von ungefähr hat Zimmermann den Bauernkrieg herangezogen, um seinen Zeitgenossen einen Spiegel vorzuhalten. Das wurde auch so aufgefasst, denn in Baden, Bayern und Österreich wurde sein Werk über den Bauernkrieg nach dem ersten Erscheinen 1843 zunächst verboten. Das politische Leben und Wirken Zimmermanns bewegte sich in dem Spannungsfeld von Reform und Revolution, wobei die reformerische Linie die Oberhand behielt. In den politischen und theologischen Kämpfen seines Lebens hat er die fortschrittlichen Bestrebungen der Zeit mit einer christlichen Grundhaltung zu verbinden gesucht.

1. Aus dem Leben Wilhelm Zimmermanns

Wilhelm Zimmermann entstammte einer kleinbürgerlichen Handwerker- und Winzerfamilie. Der Vater war Weingärtner und heiratete die Tochter eines Kanzleiboten, wodurch er eine Anstellung in der königlichen Hofküche erhielt. Später hat er diese Anstellung aufgegeben und wieder als „Weingärtner und Lackierer" gearbeitet. Die derben Umgangsformen, die in dieser handwerklichen Umgebung üblich waren, hat Wilhelm Zimmermann nicht immer ganz vermieden. Er hat ja später Kontakt gehabt mit schwäbischen Geistesgrößen, Adeligen und Professoren.

1831 richtete Zimmermann ein Promotionsgesuch zum Doktor der Philosophie an den Dekan der philosophischen Fakultät in Tübingen. Den Lebenslauf dazu verfasste er in lateinischer Sprache: „Balthasar Fredericus Guilielmus Zimmermann, natus Stuttgartiae parentibus plebejis." Bei allen späteren Bewerbungen auch in deutscher Sprache vergaß er nie selbstbewusst auf seine Herkunft hinzuweisen: „Friedrich Wilhelm Zimmermann, den 2ten Januar 1807 von armen bürgerlichen Eltern geboren."

Zimmermann sollte ursprünglich ein Handwerk lernen und besuchte die Elementarschule in Stuttgart. In der Verwandtschaft wurde seine besondere Begabung festgestellt. Er wurde gefördert und auf ein Gymnasium geschickt. Einer seiner Lehrer war der Dichter und Philologe Gustav Schwab, mit dem Zimmermann in seinem späteren Leben zeitweise einen Schriftwechsel geführt hat. Mit vierzehn Jahren bestand er das württembergische Landesexamen. Diese Examensprozedur hat Hermann Hesse in seiner Erzählung „Unterm Rad" beschrieben. Im weiteren Bildungsweg gelangte er auf das evangelische Seminar in Blaubeuren, wo neben religiöser Erziehung auch humanistische Bildung vermittelt wurde. Römische Autoren wie Sallust, Horaz und Livius wurden dort gelesen und mussten gekonnt werden. Ab 1825 studierte Zimmermann in Tübingen an der dortigen Universität und am evangelischen Stift. Im Stift herrschte klösterliche Strenge. Mit dieser Ausbildungsmethode wurde in vielen Fällen das Gegenteil von dem erreicht, was erreicht werden sollte. Aus dem Stift sind auch rebellische Geister hervorgegangen. Die Aufsässigkeit im Tübinger Stift war bekannt.

Grund war die Nichteinhaltung der Zusagen, die von den Fürsten im Zuge der Befreiungskriege 1813 gegeben worden waren, ein einiges Deutschland mit einer demokratischen Verfassung zu errichten. Der preußische Staat hatte es daher seinen Studenten verboten, dort zu studieren.

Zwei Extreme stehen sich in Zimmermanns Bildungsweg gegenüber: Ehrungen, Preise, Ernennung zum Klassenprimus auf der einen, Tadel, Hausarreste und Hinauswurf auf der

anderen Seite. Es ist dazu festgestellt worden, Zimmermanns besondere Begabung sei nur durch seine Renitenz übertroffen worden.

Im Januar 1832, im Alter von 25 Jahren, promovierte wurde er mit dem Thema: „De literis romanorum" zum Dr. phil. promoviert. Die Arbeit war in einem glänzenden lateinischen Stil verfasst, unter der Fragestellung über den Grad der Eigenständigkeit der römischen Literatur gegenüber der griechischen.

In den Jahren von 1830 bis 1840 war Zimmermann freiberuflich tätig, hielt aber den Kontakt zur vorgesetzten Kirchenbehörde aufrecht. 1832 heiratete er die Pfarrerstochter Louise Dinzinger, die seinen Lebensweg beeinflusst hat und ihm in seinem Amt und seinen Arbeiten eine Stütze war, wenn sie auch nicht öffentlich in Erscheinung trat. 1840 bewarb sich Zimmermann um eine Anstellung als Pfarrer und übernahm ein Doppelamt als Diakonus in Dettingen und als Pfarrer in Hülben.

1846 bewarb sich Zimmermann erfolgreich um eine Professorenstelle an der Polytechnischen Schule in Stuttgart.

Mit Genehmigung des württembergischen Königs Wilhelm I. wurde er zum Professor für Deutsch und Geschichte ernannt. Das Gutachten des königlichen Ministeriums beurteilte ihn als einen „talentvollen Mann von Geschmack und blühender Darstellungsgabe".

1848 reiste er zur Frankfurter Nationalversammlung als Abgeordneter des Wahlkreises Schwäbisch-Hall, wo er mit großer Mehrheit gewählt worden war. Die Familie folgte ihm dorthin, und sein Amt als Lehrer wurde von einem Nachfolger übernommen. Nach Auflösung der Frankfurter Nationalversammlung gehörte er dem „Rumpfparlament" an, das in Stuttgart tagte und vom württembergischen Militär aufgelöst wurde. Zimmermann kehrte zunächst in den Schuldienst zurück, aus dem er dann aus aber hinausgedrängt wurde. Von 1851 bis 1854 war er ohne Amt. Ein Sitz im württembergischen Landtag und Buchhonorare waren jetzt seine einzige Einnahmequelle. 1854 legte er sein Landtagsmandat nieder und trat wieder in den Pfarrdienst ein. Er wirkte in seinem Amt von 1854 bis zu seinem Tode 1878 in Leonbronn, Schnaitheim und Owen.

1.2. Seine politischen Zielsetzungen und sein geistiges Umfeld

Zimmermann war in die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen des 19. Jahrhunderts hineingestellt. Sein kämpferischer Geist hatte darin seinen Platz und seine Lebensaufgabe gefunden. Richtungsweisend waren und blieben in diesem Ringen ethische christliche Maßstäbe. Dennoch stand er im Gegensatz zu den herrschenden Gewalten, die überkommene Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen bewahren wollten, oft unter einem christlichen Vorwand. Seine Beziehung zur Kirche, die einen großen Teil seines beruflichen Lebens umfasste war oft nicht ohne Spannung, denn Zimmermann drängte auf Neuerungen nach innen und nach außen. Und er war rastlos tätig. Abstoßend wirkte auf ihn die obrigkeitsstaatliche Ausrichtung der Institution Kirche. Er fand in ihr aber auch reges geistliches und geistiges unterschiedlich geprägtes Leben. Sie hatte ihm, dem Sohn armer Eltern, eine Ausbildung an einer Universität mit hervorragenden Lehrern ermöglicht, einer Universität, die trotz mancher Gegensätzlichkeiten, in hohem Ansehen stand. Zimmermann war im frühen Stadium seines Schaffens kein Pietist oder strenggläubiger Lutheraner im Sinne der lutherischen Orthodoxie. In der revolutionären Phase seines Lebens, des durch unermüdliche Kämpfe bestimmten politischen und kirchlichen Lebens, war er der Aufklärungstheologie verhaftet, was sich herleiten lässt aus seiner Einstellung, Jesus Christus sei der große Mensch im Gottesschein gewesen, eben nicht mehr als eine ethisch hoch stehende Persönlichkeit. Die pietistischen Hauskreise in den schwäbischen Gemeinden, in denen er das Pfarramt ausübte, blieben nicht ohne Einfluss auf ihn.

Sie haben ebenso wie seine Frau eine theologische Richtungsänderung herbeigeführt. Zu einem Bruch mit seinen von fortschrittlichen Ideen geprägten politischen Handeln hat diese Entwicklung nicht geführt.

Im Februar 1848 brach in Frankreich die Revolution aus, und der als Bürgerkönig bezeichnete Louis Philipp aus dem Hause Orléans wurde vertrieben. Der revolutionäre Geist erfasste auch Deutschland und erreichte im März 1848 einen Höhepunkt. Zimmermann beteiligte sich von Anbeginn mit besonderem Eifer, nahm an Volksversammlungen teil und erwies sich als überzeugender Redner. Obwohl auf dem radikalen linken Spektrum der Revolution angesiedelt, lehnte er Gewaltanwendung ab und trat für eine Entmachtung der Monarchie nach englischen Vorbild ein. Ihre Abschaffung lehnte er ab. Er wurde als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Seine Mitarbeit im Parlament und an der Ausarbeitung der Reichsverfassung brachte ihm Anerkennung ein.

Nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung wurde Zimmermann 1850 aus dem Schuldienst entlassen. Die Beweggründe zu dieser Entlassung standen in Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit. König Wilhelm I. war enttäuscht über den politischen Weg, den Zimmermann eingeschlagen hatte. Mit Frau und vier Kindern geriet er in finanzielle Nöte, die durch Bücherhonorare und Diäten als Abgeordneter des württembergischen Landtages gemildert wurden. Hinzu kamen Zuwendungen von zwei Vertretern des Adels am württembergischen Hof, einer Frau von Lieven aus dem Baltikum und dem demokratischen Abgeordneten des württembergischen Landtages, Fürst Konstantin von Waldburg-Zeil, einem direkten Nachkommen des Truchseß von Waldburg, der im Bauernkrieg mitleidlos und roh Vergeltung geübt hatte und so eine fragwürdige Berühmtheit erlangte. Der Fürst verschaffte Zimmermann durch seinen Einfluss ein Abgeordnetenmandat im württembergischen Landtag. In dieser Zeit wandte sich Zimmermann dem Pietismus zu und ging darin auf. Von Hegel und der historisch- kritischen Theologie hatte er sich abgewandt. Dieser Schritt wurde auch dem Einfluss seiner Frau zugeschrieben, die seine politische Laufbahn ohnehin kritisch begleitet hatte. 1864 starb König Wilhelm I. von Württemberg. Der Thronfolger Karl setzte sich sofort für Zimmermann ein. Er bekam eine besser dotierte Pfarrstelle und wechselte von Leonbronn nach Schnaitheim und von dort 1872 nach Owen. In der Zeit seiner Pfarrtätigkeit wandelte er sich zu einem Anhänger der Politik Otto von Bismarcks. War der Weg von der Freiheit zur deutschen Einheit misslungen, so keimte jetzt die Hoffnung von der Einheit zur Freiheit zu gelangen.

1. 3. Sein Wirken und Schaffen und die Widerstände

Das Leben Wilhelm Zimmermanns ist mehr als nur eine chronologische Aneinanderreihung von Fakten. Dahinter verbergen sich der Zusammenprall harter Gegensätze, die Existenz bedrohend waren, die Verzweiflung und Resignation auslösten, aus denen er sich wieder hocharbeiten musste. Das ist ihm gelungen. Er hat sein Leben eingesetzt, um Rechte und Freiheiten zu erstreiten und dabei Nachteile und Entbehrungen auf sich genommen. Taktieren gehörte nicht zu seinem politischen Stil. Sein gradliniges Handeln hat Enttäuschungen bewirkt, weil er von seinen Gegnern gleiche Handlungsweise erwartete. Seine Verletzlichkeit hinterließ Wunden, die nicht leicht Heilung fanden. Obwohl politisch sehr rührig und aktiv, ein Machtmensch war Zimmermann nicht. Ihn bewegten Idealvorstellungen und ihre Verwirklichung.

Im Tübinger Stift gehörte er zu denen, die gegen die reaktionären politischen Tendenzen und den Repressalien, die damit einhergingen, aufbegehrten. Tadelnde Eintragungen in die Promotionsakte, Hausarrest und schließlich Relegation waren das Ergebnis seiner Aufsässigkeit.

An der Polytechnischen Schule in Stuttgart, wo er mit Genehmigung König Wilhelms I. eine Professorenstelle antrat, unterrichtete er die Fächer Deutsch, Literatur und Geschichte. Zweifach geriet Zimmermann in die Kritik. Die von ihm unterrichteten Fächer waren fakultativ und sein Unterricht erhielt regen Zulauf. Dafür gab es zwei Gründe. Seine pädagogischen Methoden waren eine Neuerung und begeisterten die Schüler. Dazu ließ er, wenn auch mit gebotener Vorsicht, als revolutionär erkanntes Gedankengut in den Unterricht einfließen und operierte mit dem Begriff „Volkssouveränität".

Als Zimmermann im April 1848 sein Lehramt aufgab und zur Frankfurter Nationalversammlung ging, hielt ein autoritär gestalteter Unterricht wieder Einzug am Polytechnikum. Es kam unter den Schülern zu einem Aufbegehren, das von der Schulleitung niedergerungen wurde, für Zimmermann jedoch Folgen hatte. Es wurde Material gegen ihn gesammelt, das ihn diskreditieren sollte.

Zimmermann gehörte nach dem Ende der Frankfurter Nationalversammlung dem Rumpfparlament an, das nach Stuttgart verlegt worden war. Er gehörte also zu den unentwegten, die den Kampf um eine parlamentarisch demokratische Ordnung nicht aufgeben wollten. Zimmermann wurde beobachtet, Äußerungen und Aktivitäten wurden registriert. Mit dem Ende des Rumpfparlaments kehrte er in den Schuldienst an die Polytechnische Schule zurück. Seine Gegner hatten jedoch sich formiert.

Die Politik, für die Zimmermann alles eingesetzt hatte, war unterlegen, der Rückhalt geschwunden, und so wurde er, wenn auch unter einem Vorwand, aber unverkennbar aus politischen Beweggründen seines Amtes enthoben. Er galt als profilierter Achtundvierziger, und es wurde auf seine literarische Tätigkeit und besonders auf die Bauernkriegsgeschichte verwiesen mit dem Vermerk, sie sei in kommunistischen Kreisen mit Begeisterung aufgenommen worden.

Drei Jahre von 1851 bis 1854 war Zimmermann ohne Amt. Sein Abgeordnetenmandat im Stuttgarter Landtag erachtete er als unzulänglich, um seine vom politischen Idealismus getragenen Ziele weiter zu verfolgen.

In Stuttgart hielt er öffentliche Vorträge zu historischen und politischen Themen. Die Zeit der Stauferkaiser war ein von ihm bevorzugtes Gebiet. Der Obrigkeit missfiel die Tendenz, Vorträge zu halten, in denen er die Idee von der Volkssouveränität propagierte. Das wurde ihm zum Verhängnis, und diese Aktivitäten wurden mit Verbot belegt.

In der Frankfurter Nationalversammlung hatte Zimmermann sich einiges Ansehen erworben, das ihm einen politischen Aufstieg gebracht hätte, wenn die Geschichte der Demokratiebewegung und des Parlamentarismus einen anderen Verlauf genommen hätte.

Mit der Rückkehr in den Pfarrdienst verlief sein Leben in ruhigeren Bahnen. Es wäre aber nicht gerechtfertigt, von einer Phase der Abkehr zu sprechen. 1856 gab er die überarbeitete Geschichte des Bauernkrieges heraus. Mit der Hinwendung zum Pietismus hatte er nicht den von ihm vertretenen Vorstellungen eine Absage erteilt.

 

II. Die Arbeiten Wilhelm Zimmermanns

Die Biographie Wilhelm Zimmermanns kann nicht losgelöst von seinem beruflichen und politischen Werdegang und seinem literarischen Schaffen mit der darin innewohnenden Tendenz betrachtet werden. Seine Bedeutung liegt auch außerhalb Schwabens und Württembergs, wo sein literarisches und politisches Betätigungsfeld lag. In seiner Funktion als radikaler demokratischer Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung hat er sich als Chronist der deutschen Revolution von 1848 eingesetzt. Sein Name hatte schon einige Berühmtheit erlangt mit seiner Geschichte des deutschen Bauernkriegs, die über die Zeit hinaus als Klassiker fortschrittlicher Geschichtsschreibung angesehen wird. Mehr als ein Jahrhundert hat es für die marxistische und demokratische Geschichtsschreibung Vorbildcharakter in Anspruch nehmen können.

Dieses, sein Hauptwerk, hat ihn als Historiker von Rang bestehen lassen. Er ist noch mit anderen Werken hervorgetreten, die in seiner Zeit Beachtung fanden, die ein Licht werfen auf die Intentionen, die seine Geschichtsschreibung beflügelten und für seine Zeit passten.

Zu ihnen gehören: „Masaniello, ein Mann des Volkes". Die Inspiration zu diesem Drama, das 1833 abgeschlossen wurde, war der spontane Ausbruch der Revolution in Belgien 1830 nach der Aufführung der Oper „Die Stummen von Portici" Der Held dieser Oper war Masaniello. Als weitere Titel können genannt werden:

  • Die Befreiungskämpfe der Deutschen gegen Napoleon. Das Werk wurde dreimal aufgelegt: 1836, 1839 und 1859,

  • Prinz Eugen der edle Ritter, erschienen 1838,

  • Die Hohenstaufen, oder der Kampf der Monarchie gegen den Papst und die republikanische Freiheit. Ein historisches Denkmal. Dieses Werk umfasste zwei Bände.

1855 verfasste er ein Vorwort zur zweiten Auflage seines Werkes: „Der Deutsche Kaisersaal". Es war eine Sammlung von Kupferstichen der römisch-deutschen Kaiser, zu denen Zimmermann die biographischen Texte geschrieben hatte. Mit dem weit reichenden Rückblick in die Deutsche Geschichte verband er sein fortschrittliches politisches Bemühen, der mit einem politischen Optimismus einherging: „Deutschland hat eine Zukunft, und eine große Zukunft, glaubt nur daran. Die Verhältnisse der unmittelbaren Gegenwart deuten darauf. Wunderbar sind die Wege Gottes."

In der Zeit seines Pfarrdienstes in Schnaitheim ergänzte er Karl von Rottecks populärwissenschaftliche Weltgeschichte und gab sie neu heraus. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 verfasste er eine Geschichte dieses Krieges mit dem Titel: Deutschlands Heldenkampf.

Die Last der Arbeit, die mit seiner beruflichen Tätigkeit und den Veröffentlichungen seines literarischen Schaffens verbunden war, wurde von seiner Frau und seinem Sohn mitgetragen. Ein Anlass für David Friedrich Strauß von einer „literarischen Industrie" zu sprechen.

1. Der Weg zum Historiker

Im Jahre 1836 gab Zimmermann gemeinsam mit Eduard Mörike ein Jahrbuch schwäbischer Dichter und Novellisten heraus. Zimmermann verfasste ebenfalls Novellen und Gedichte, worin er familiäre und historische Themen abhandelte. Neben Uhland, Hauff und Mörike konnte er aber nicht bestehen. Ihm wuchs mit der Zeit die Erkenntnis, die ihn bewog sich auf wissenschaftliches Arbeiten zu verlegen. Er wusste als Historiker Quellenanalyse, Bewertung und Interpretation historischer Vorgänge mit einem treffenden Stil und einer Darstellungsgabe zu verbinden, die auch außerhalb der wissenschaftlichen Zunft Eingang fand.

Allgemeine Anerkennung und einen Durchbruch fand Zimmermann mit der Herausgabe seiner Geschichte über den Deutschen Bauernkrieg. Seine anderen Werke gerieten in Vergessenheit.

2. Friedrich Engels urteilt über Zimmermann Die größte Beachtung erfuhr die Geschichte des Deutschen Bauernkrieges in der sozialistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Führungspersönlichkeiten aus diesen Reihen schenkten Zimmermann die meiste Beachtung, was mancherorts zu Vorwürfen und Verdächtigungen Anlass bot.

Friedrich Engels, der neben Karl Marx den größten Einfluss auf die sich international organisierende Arbeiterschaft ausübte, blieb dem Werk Zimmermanns verbunden, trotz mancher kritischen Anmerkung. Das großartige Zeugnis, das Engels Zimmermann entgegenbrachte, war mit kritischen Anmerkungen vermischt, was nicht allein auf Zimmermanns Hinwendung zur Politik Otto von Bismarcks zurückzuführen ist, sondern auch mit seinem theologischen Richtungswechsel zum Pietismus in Zusammenhang gebracht werden kann.

1850 verfasste Engels eine Arbeit, die den Titel trug: „Der deutsche Bauernkrieg". In seiner Vorbemerkung zur zweiten deutschen Ausgabe von 1870 schrieb er: „Die nachstehende Arbeit wurde im Sommer 1850, noch unter dem Eindruck der eben vollendeten Konterrevolution in London geschrieben; sie erschien im 5. und 6. Heft der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", redigiert von Karl Marx, Hamburg 1850. Meine politischen Freunde wünschen ihren Wiederabdruck, und ich komme diesem Wunsche nach, da sie zu meinem Leidwesen, auch heute noch zeitgemäß ist."

Die Revolution von 1848 und die politische Entwicklung, die darauf folgte, waren naturgemäß für Marx und Engels und ihrer Anhängerschaft hinter den gehegten Erwartungen weit zurückgeblieben. Zum Zeitpunkt des zweiten Erscheinens der Bauernkriegsgeschichte von Engels 1870 war Zimmermann schon zu einem Anhänger der Politik Bismarcks geworden. Weder Engels noch andere Vertreter sozialistischer und sozialdemokratischer Organisationen und Parteien haben sich deshalb von Zimmermann losgesagt. Das beweist Engels in seiner Vorbemerkung zur zweiten Ausgabe, in der es weiter heißt: „Sie macht keinen Anspruch darauf, selbständig erforschtes Material zu liefern. Im Gegenteil, der gesamte auf die Bauernkriegsaufstände und auf Thomas Münzer sich beziehende Stoff ist aus Zimmermann."

Neben einem Lob, das Engels dem Werk Zimmermanns spendet, wird verhaltene Kritik erkennbar, wenn er weiter ausführt: „Sein Buch, obwohl hie und da lückenhaft, ist immer noch die beste Zusammenstellung des Tatsächlichen... derselbe revolutionäre Instinkt, der hier überall für die unterdrückte Klasse auftritt, machte ihn später zu einem der Besten auf der äußersten Linken in Frankfurt. Seitdem soll er etwas gealtert haben."

Trotz der kritischen Distanz, die den Worten von Engels zu entnehmen ist, bleibt Zimmermann letztlich der kompetente Bauernkriegsforscher und Historiker der Zeit. Obwohl Zimmermanns Buch in der revolutionären Zeit Nachahmer gefunden hatte, blieb die Durchschlagskraft, die Zimmermanns Darstellung in Anspruch nehmen konnte, unerreicht.

So findet Engels denn auch zu Zimmermann zurück, dessen Werk in eine Zeit revolutionären Umbruchs gestellt war und stellt fest: „Wenn dagegen der Zimmermannschen Darstellung der innere Zusammenhang fehlt; wenn es ihr nicht gelingt, die religiös-politischen Streitfragen jener Epoche als das Spiegelbild der gleichzeitigen Klassenkämpfe nachzuweisen; wenn sie in diesen Klassenkämpfen nur Unterdrücker und Unterdrückte, Böse und Gute und schließlich den Sieg des Bösen sieht; wenn ihre Einsicht in die gesellschaftlichen Zustände, die sowohl den Ausbruch wie den Ausgang des Kampfes bedingten, höchst mangelhaft ist, so war dies der Fehler der Zeit, in der das Buch entstand. Im Gegenteil, für seine Zeit ist es, eine rühmliche Ausnahme unter den deutschen idealistischen Geschichtswerken, noch sehr realistisch gehalten."

Es wird zu zeigen sein, ob die Beurteilung, die Engels vorgenommen hat, uneingeschränkt bestehen kann.

3. Die Bauernkriegsausgabe von 1891

Der Originalausgabe der Bauernkriegsgeschichte, die von Zimmermann herausgegeben wurde, sind im Laufe von mehr als hundert Jahren, andere Ausgaben gefolgt, die nicht der Originalausgabe gleichen. Das gilt auch für die Ausgabe von 1891. Herausgeber war Wilhelm Blos, ein Sozialdemokrat, der nach dem Ersten Weltkrieg das Amt des württembergischen Staatspräsidenten innehatte. Nicht von ungefähr erfolgte die Herausgabe von Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte 1891. Der Herausgeber hat seiner überarbeiteten Ausgabe ein Lebensbild Zimmermanns und ein Vorwort vorangestellt. Das Vorwort wurde mit dem Datum des 6. Februar 1890 versehen, als noch das von Bismarck 1878 verfügte Sozialistengesetz in Kraft war. Es wurde im Zuge der Entlassung Bismarcks im März 1890 nicht mehr erneuert. So kann die von Wilhelm Blos herausgegebene Bauernkriegsgeschichte Zimmermanns im Kontext der Zeit gesehen werden. Entsprechend wurde mit dieser Ausgabe ein politisches Ziel verfolgt, wie mit anderen später erfolgten und bearbeiteten Ausgaben auch.

Wilhelm Blos hat in seinem Vorwort zu seiner Ausgabe seine Intention erkennen lassen, in der es heißt:

„Nahezu ein halbes Jahrhundert ist verflossen, seitdem Dr. Wilhelm Zimmermann die erste Ausgabe seines Werkes über den großen deutschen Bauernkrieg hat erscheinen lassen.

Die Wirkung des Buches war eine ganz außerordentliche; es hat eine neue Auffassung der Reformationszeit geschaffen.

Dennoch ist dieses Buch ein demokratisches Geschichtswerk im besten Sinne des Wortes, der großen Masse des Volkes bisher bei Weitem nicht bekannt gewesen, als es verdient. War es zu umfangreich, oder hat ein besonderer Unstern über dem trefflichen Werke gewaltet? Viele wußten wohl davon, aber nicht sehr Viele hatten es gelesen. Wir haben uns entschlossen, dem abzuhelfen, und zwar durch eine volkstümliche Ausgabe des Zimmermann’schen Werkes, die Jedermann zugänglich ist. Zu diesem Zweck mußten wir den Umfang des Buches etwas verringern. Selbstverständlich haben wir uns sorgfältig gehütet, der Zimmermann’schen Darstellung nach Form oder Inhalt irgend welchen Eintrag zu thun....Was wir ausgeschieden haben, waren meistens theologische Abhandlungen, zu denen ein Geschichtsschreiber der Reformationszeit ganz von selbst kommt, die aber für die große Masse des Volkes ohne weitere Bedeutung sind.... Man staunt, wie weit die Ideen vor vierthalbhundert Jahren vorgeschritten gewesen sind, und man begreift den darauf folgenden Verfall Deutschlands, wenn man sieht, wie jene großartige, von den edelsten Geistern getragene Freiheitsbewegung nach der Niederlage des Volkes in eine Kirchenspaltung auslief, die statt Brot und Freiheit, dem Volke nur neue Dogmen zu bieten hatte.... In einer Zeit, in der die herkömmliche Geschichtsschreibung so sehr bemüht ist, sich den Anschauungen der herrschenden Gewalten anzuschmiegen,...in dieser Zeit wird, so hoffen wir, die Volksausgabe des demokratischen Geschichtswerkes von allen willkommen geheißen werden, die noch nicht angekränkelt sind vom dünkelvollen und schablonenhaften Aburteilen über Alles, was nach anderer Richtung strebt, als die heute herrschende Strömung.

Und ihrer dürften nicht wenige sein.

Stuttgart, 6. Februar 1890."

Für Wilhelm Blos hatte die Herausgabe von Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte politische Beweggründe. Er verband damit eine Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen der Zeit und wies hin auf eine fehlgeleitete historische Entwicklung, die immer noch nach Veränderung rief. Kritisch und ablehnend beurteilte Wilhelm Blos den Verlauf der Reformation aus politischer Sicht.

Mit der Feststellung, die Reformation habe nur neue Dogmen hervorgebracht, begründete er zugleich ihre Bedeutungslosigkeit, wenn es darum gehen sollte, soziale Bedingungen und die darauf gegründeten Herrschaftsverhältnisse zu verändern.

Jede politische Organisation oder Partei gründet sich genau wie eine Religion oder christliche Konfession auf eine Programmatik oder Dogmatik, ohne die Identitätsstiftung unmöglich ist. Das Verhängnis beginnt da, wo Dogma und Ethik auseinander klaffen, und das ist in der Geschichte der christlichen Konfessionen nicht selten der Fall gewesen.

Die Feudalherrschaft des Mittelalters, die schließlich in den Aufstand der Bauernkriege mündete, und die darauf folgenden absolutistischen Herrschaftsformen mit christlichem Anspruch, die in Aufklärung und Französischer Revolution ihren Gegensatz fanden, beweisen das.

Das Leben Wilhelm Zimmermanns, sein politisches und geistliches Wirken bewegen sich in dem Spannungsfeld der konsequenten Verwirklichung von Dogma und Ethik.

Wilhelm Blos hat zu seiner Ausgabe von Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte nicht nur ein Vorwort verfasst, sondern auch einen biographischen Abriss aus dem Leben und Schaffen Wilhelm Zimmermanns, betitelt mit: „Lebensbild des Verfassers".

Darin geht Wilhelm Blos auch auf andere Werke Zimmermanns ein. Der Zeitraum, der das Leben Zimmermanns ausfüllt, war begleitet von dem Ringen um demokratische Freiheiten und dem Bestreben nach der Einheit Deutschlands. Darauf geht Wilhelm Blos in seiner Abhandlung über das „Lebensbild" ein. Mit der Einigung Deutschlands 1871 waren der Weg und das Ziel der nationalen Standortsbestimmung Deutschlands noch nicht abgeschlossen. So geht Wilhelm Blos auf diese Thematik ein und zitiert Zimmermann aus dem Vorwort zur zweiten Auflage der „Geschichte der Hohenstaufen" : „Heutzutage ist das Recht der Nationalitäten, wonach jede sich zu einem einheitlichen Ganzen zusammenschließen und selbstbestimmend ihre Angelegenheiten zu ordnen hat, nahe daran, von ganz Europa anerkannt zu werden. Heutzutage ist man endlich auch in Betreff der Geschichtsschreibung nahe daran, anzuerkennen, daß diejenige Art von Geschichte die rechte ist, welche keine Rücksicht nimmt, als auf die thatsächliche Wahrheit, und daß, wo zwei Nationalitäten im Kampfe miteinander zu schildern sind, der Geschichtsschreiber der einen Nationalität besonders auf der Hut sein muß, nicht aus Liebe zu seinem eigenem Volke die Thatsachen und die Mitwirkenden auf Kosten der Wahrheit zu behandeln. Der Patriotismus, welcher, statt nach beiden Seiten gerecht zu sein, parteiisch die Geschichte schreibt, sie patriotisch auf- oder umfärbt, ist nicht blos ein falscher Patriotismus, welcher unter der Stufe der Humanität zurückgeblieben ist, sondern ein Verrat an der Wahrheit,..."

Diese Worte schrieb Zimmermann im September 1864, das vermerkt Wilhelm Blos in Anschluss an den zitierten Abschnitt, nachdem er zuvor anerkennend auf diese Worte hingewiesen hatte, womit Wilhelm Blos seine Zustimmung zu den von Zimmermann vertretenen Richtlinien besonders hervorheben wollte.

4. Die Bauernkriegsausgabe von 1912 als wissenschaftliches Volksbuch

Die aufgeführten Ausgaben der Bauernkriegsgeschichte Zimmermanns umfassen sechs Bücher mit einem Umfang von um die achthundert Seiten. Die Ausgabe von Fritz Gansberg unterscheidet sich davon in Aufmachung und Format und trägt die Bezeichnung: „Wissenschaftliche Volksbücher für Schule und Haus". Mit dem Buch, das etwas mehr als einhundertzwanzig Seiten enthält und 1912 herausgegeben wurde, sollte eine breitere Leserschaft erreicht und eine andere Sicht von Geschichte vermittelt werden, wie sie zu dem Zeitpunkt als gängig geschildert wird.

Die Intention des Herausgebers Fritz Gansberg ist seinem Vorwort zu entnehmen, darin heißt es: „Solange Menschen schreiben können, haben sie die Geschichte großer Machthaber ihrer und der vergangenen Zeiten geschrieben,...Von der Masse des großen Volkes berichten sie nur beiläufig,...Zimmermann gehört zu unseren besten Geschichtsschreibern. Ein unbestechliches Wahrheitsgefühl leitet ihn, eine glühende Liebe zum Volke begeistert ihn. Sein Werk verdient noch heute einen Ehrenplatz in der Bücherei der „armen Leute" ".

Das Vorwort wurde 1909 verfasst. Es weist auf den Inhalt des Buches hin, das zutreffend als „Geschichte von unten" bezeichnet werden kann.

In der Sammlung „Wissenschaftliche Volksbücher", die einem breiten Publikum Allgemeinbildung vermitteln sollte, wird Zimmermann mit seinem Werk neben großen Ereignissen und Persönlichkeiten der Geschichte gestellt.

Hermann Hesse hat sich anerkennend über diese Sammlung geäußert. Das Buch, oder besser das Büchlein, gibt Zimmermanns Darstellung stark verkürzt wieder. Das erste Kapitel der Ausgabe trägt den Titel: „Von den Ursachen des großen Krieges". Eine solche Kapitelüberschrift ist in den übrigen angeführten Bauernkriegsausgaben nicht zu finden. In Gansbergs Ausgabe wird als Ursprung einer unheilvollen Entwicklung, die bereits bei Karl dem Großen beginnt, das mittelalterliche Lehnswesen gesehen, das mit der Verpflichtung der Grundherren zum Heeresdienst seinen Anfang genommen hatte, und womit die Freiheit der Bauern zunehmend eingeschränkt wurde, weil der Heeresdienst Belastungen mit sich brachte, die immer mehr Bauern mit ihrem Grundbesitz in Abhängigkeit brachte. Das führte zum Anwachsen der Adelsmacht und einer Konzentration des Besitzes in den Händen des Adels. Als zweite Säule eines Systems der Lasten und Unterdrückung gelangt neben dem Adel die Kirche mit ihrer Hierarchie zur Darstellung.

5. Die Bauernkriegsausgabe von 1913

Wilhelm Blos hat 1907 und 1913 Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte erneut herausgegeben. Die Unterschiede der Ausgabe von 1891 und der von 1913 sind gering. Die Ausgabe von 1913 enthält den Vermerk: „Billige Volksausgabe", womit die beabsichtigte Wirkung und Zielsetzung deutlich zum Ausdruck kommt. Es fehlt das „Lebensbild des Verfassers", das er in der Ausgabe von 1891 vorangestellt hatte, worin er Zimmermanns Lebensleistung mit besonderer Anerkennung bedacht hatte. Das Vorwort zur Ausgabe von 1913 schließt mit dem Datum vom 6. Februar 1890 und ist im Text unverändert geblieben.

6. Die Bauernkriegsausgabe von 1933

1933 erschien eine weitere auf Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte gestützte Ausgabe. Auch sie war überarbeitet und mit einer Einführung von Gottfried Falkner versehen worden, die ganz im Sinne der sich abzeichnenden politischen Entwicklung gehalten war. Der Autor dieser Einführung beschreibt, wie Zimmermanns Werk interpretiert und verstanden werden sollte. Der Zeit angemessen lässt sich Gottfried Falkner vernehmen und sieht im Bauernkrieg „das erste Ahnen einer kommenden nationalen und sozialen Umgestaltung". Dem Ausbeutungsmechanismus, betrieben von Adel und Klerus habe keine Autorität gegenübergestanden, um dem Machtmissbrauch dieser Gesellschaftsschichten zu steuern.

Der Leser wird so eingestimmt und eindeutig hingeführt auf ein zentrales Anliegen der NS-Ideologie. Die Interpretationen dieser Art, die in Zimmermanns Werk keinen Niederschlag finden, durchziehen die Einführung Gottfried Falkners. Die katholische Kirche tritt als „überstaatliche Macht" auf, die dem „nordischen Menschen fremd und unverständlich" geblieben ist. Das Christentum sei „den Germanen von rassefremden Missionaren" aufgezwungen worden, und die rassische Abneigung der Germanen, so folgert Falkner, habe sich gegen das „artfremde Wesen" der Kirche gestellt. Die von Falkner vertretenen Thesen haben zur Zeit des Bauernkrieges und der Reformation in keiner Weise irgendwelche Bedeutung gehabt, das muss nicht näher erläutert werden. Eingegangen wird auf die Bauernaufstände im Elsaß mit einer Bemerkung über die Vertreibung der Juden, die sich als „Fremdstämmige" durch Wucher und Geldverleih verhasst gemacht hätten. Gemeinhin habe „im Herzen des Volkes" das Verlangen nach einer „nationalen und sozialen Erneuerung" vorgeherrscht.

Der Leser wird stellenweise hingeführt zu den Machthabern des Jahres 1933. Die anbrechende NS-Herrschaft wird als Erfüllung der von den Bauern auf revolutionärem Wege angestrebten Ziele dargestellt. In diesem Sinne sind Ausführungen Falkners zu verstehen, wenn es heißt: „Der Zusammenschluss aller schaffenden Kräfte der Nation zu einer völkischen Einheit hat die Schranken der Klassenunterschiede beseitigt und dadurch die ursprüngliche Bedeutung der Stände wieder zur Geltung gebracht. Die Entwicklung hat sich ohne Bundschuh und Armen Konrad, ohne Niederbrennen von Kirchen vollzogen. Was hellsichtige Köpfe erst unklar und schemenhaft in weiter Ferne dämmern sahen, hat endlich feste Formen angenommen."

Die Zeilen sollten den Eindruck entstehen lassen, als könne und wolle die NS-Herrschaft alles in friedliche Bahnen lenken und so das erreichen, was mit revolutionärer Gewalt in der Geschichte gescheitert war. Diese politische Tendenz war eine Täuschung, das hat sich bald nach 1933 herausgestellt.

Luther wird bei Falkner apologetisch abgehandelt, und gegen die Bauern und ihre Anführer ein Vorwurf erhoben, weil sie den Warnungen und Ratschlägen des Reformators nicht gefolgt waren, den Weg revolutionärer Gewalt gewählt und damit den erfolgreichen Abschluss der Reformation verhindert hätten.

Zimmermann selbst wird anerkennend und kritisch zugleich betrachtet. Dazu heißt es: „Der Pfarrer Zimmermann war einer der vielen deutschen Patrioten, die von der Demagogenriecherei als „Revolutionäre" verdächtigt wurden....

Kritisch wird angemerkt: „Ganz ohne Tendenz vermochte Zimmermann freilich auch jetzt den Stoff nicht zu gestalten. Man fühlt, wie sehr seine Sympathien auf der Seite der aufständischen Bauern stehen, wie er sich in ihre Mentalität, in ihre Sorgen hineinversetzt....Die persönliche Anteilnahme bestimmt ihn bisweilen zu voreiligen Urteilen,...wie zum Beispiel seine Verteidigung Münzers und die Polemik gegen Luthers Stellungnahme zu den Bauern."

Falkner nimmt in seiner Einführung Bezug auf die Ausgaben, die Wilhelm Blos besorgt hatte und lässt einfließen, Zimmermann sei kein Marxist gewesen und führt weiter dazu aus: „Wenn wir neunzig Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage und vierzig Jahre nach Blos eine dritte oder vielmehr vierte Ausgabe des alten Zimmermann veranstalten, so geschieht dies, um das klassische Geschichtswerk zu einem Lesebuch für alle Kreise unseres Volkes zu machen. Zu diesem Zweck musste das Original allerdings einer einschneidenderen Bearbeitung unterzogen werden, als etwa Blos dies getan hat....Die nicht mehr tragbare Geschichtsschreibung Zimmermanns musste ebenso fallen, wie die daraus abgeleitete Nutzanwendung auf die politischen Verhältnisse des Vormärz, die Zimmermann für seine Zeitgenossen eingeflochten hatte. Damit verlor das Werk zugleich seine zeitgebundene demokratische Tendenz, die dem heutigen Leser die Lektüre des Buches erschwerte und oftmals verleidete."

Die Absichten, die Falkner hier in seiner Einführung kundtut, heben den völligen Gegensatz heraus zu Zimmermanns literarischem Schaffen und zu dem politischen Kampf um demokratische Rechte und Freiheiten, die er als seine Lebensaufgabe angesehen hatte. Zimmermanns politischer Lebensweg und seine Geschichtsauffassung stehen gänzlich im Gegensatz zur NS-Ideologie.

Dem Geschichtsverständnis Wilhelm Zimmermanns steht auch eine andere Aussage Falkners entgegen, die er am Ende seiner Einführung mit der Feststellung zum Ausdruck bringt: „Die deutsche Revolution ist abgeschlossen....Der Traum vom wiederkehrenden Kaiser Friedrich, der ein tausendjähriges Reich der Freiheit und Gerechtigkeit, der Macht und Herrlichkeit errichten wird,...hat sich erfüllt. Die große Reichsreform ... ist durchgeführt, seitdem das deutsche Volk unter der Führung Adolf Hitlers,...einig geworden ist in seinen Stämmen und Ständen."

Falkner war hier einem Irrtum erlegen. Die NS- Ideologie und die darauf gegründete Herrschaft verstanden sich nicht als Fortsetzung des mittelalterlichen römisch-deutschen Kaiserreiches, dem ein universeller Staatsgedanke zugrunde lag.

7. Die in der DDR erschienene Ausgabe von 1976

Zu Zimmermanns Bauerkriegsgeschichte muss eine bezeichnende Feststellung getroffen werden. Wirklich Anklang gefunden hat sie nur auf dem Feld sozialdemokratischer und sozialistischer Politik und ihren führenden Vertretern. Das beweisen die Ausgaben von Wilhelm Blos und die DDR-Ausgabe von 1976, die in West-Berlin im Lizenzdruck hergestellt und auch in der Bundesrepublik Deutschland Verbreitung fand. Es gibt in dieser Ausgabe einige kritische Begleitkommentare zum Text Zimmermanns, die eine besondere Aufmerksamkeit verdienen und darum einer Betrachtung unterzogen werden sollen. Zimmermanns Darstellung wird darin interpretiert, ergänzt und politisch bewertet. Die zentrale Problem- und Fragestellung betreffen die politische und gesellschaftliche Konstellation zur Zeit der Reformation und des Bauernkrieges, und damit verbunden die Anwendung revolutionärer Gewalt als politische und reformatorische Zielsetzung.

Neben der Reformation in ihrem Verlauf hatte sich eine Richtung formiert, die auf politische Neuerungen drängte. Ihre Hauptvertreter waren Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen.

Zimmermann schreibt über Hutten: „Die Wiedergeburt seines Volkes war die Idee, die sein ganzes Wesen einnahm." Was Luther für die christliche Kirche anstrebte, das wollte von Hutten auf nationaler und politischer Ebene umgestalten. Zimmermann urteilt: „Der Geist seines Volkes war in ihm, der Bergmannssohn zu Wittenberg war dazugetreten und hatte ihn so gestärkt, dass er mehr als je Hoffnung und Glauben fasste an „die Zukunft Deutschlands". Das Reich war ohne Verfassung, der Rechtszustand der Willkür unterworfen. Die Kräfte, von denen es getragen wurde, strebten gegeneinander, wodurch es zusätzlich wirtschaftlich und militärisch geschwächt wurde. Hutten wollte neben dem niederen Adel, die Reichsstädte und breitere Bevölkerungsschichten für sein Vorhaben gewinnen. Das Unternehmen war durchdacht und geplant. Hutten sollte den politischen Arm führen, von Sickingen alles militärisch abstützen, und Luther war die Umgestaltung der Kirche zugedacht. Luther hatte zwar in seiner Schrift: „An den christlichen Adel Deutscher Nation" in eine Richtung gewirkt, aber dem Werben Huttens entzog er sich schließlich. Hutten erhielt als Antwort: „Ich möchte nicht, dass man das Evangelium mit Gewalt und Blut verfechte. Durch das Wort ist die Welt überwunden worden, durch das Wort ist die Kirche erhalten, durch das Wort wird sie wieder instand kommen,..." Ende des Jahres 1517 hatte Luther noch anders geurteilt: „Warum greifen wir nicht vielmehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens, als Päpste, Kardinäle, Bischöfe und das ganze Gewürm der römischen Sodoma mit allerlei Waffen und waschen unsere Hände in ihrem Blut."

Die Redaktion dieser Ausgabe Zimmermanns merkt dazu an: „Luther beschränkt zwar diese Aufhetzung gegen die Bischöfe, welche Kurfürsten, deutsche Landesherrn, waren, ganz hinten, weit von diesen Worten weg, mit dem kurzen Wort: „Aber wir lassen die Rache Gott." Doch würde ihn schwerlich ein heutiges Gericht freisprechen."

Zimmermann flicht die Ambitionen Huttens in seine Bauernkriegsgeschichte ein und stellt Zusammenhänge her, die von der Redaktion der DDR-Ausgabe kritisch beleuchtet werden. In Huttens Bestrebungen sieht Zimmermann den Versuch, den niederen Adel mit dem Bürgertum und dem Volk in einer politischen Zielsetzung zu vereinen, die darin bestand, im Kampf gegen die Fürsten und der Geistlichkeit, eine Ordnung in Freiheit zu errichten. Zimmermann sieht dieses Ziel in der englischen Geschichte erreicht, wenn er schreibt: „Die englische Freiheit ist die Frucht der Vereinigung des niederen Adels mit dem Bürgertum."

Zu diesem Satz hat die Redaktion angemerkt: „Der Gedanke einer Adelsdemokratie war offenbar ein verspäteter, und die Ideen des sechzehnten Jahrhunderts gingen weit über diese veraltete Gesellschafts- und Staatsform hinaus.

Das erklärt denn auch zur Genüge, warum die Masse des Volkes von der Hutten- Sickingenschen Bewegung gar nicht berührt wurde. Erst ein so volkstümliches Programm wie die zwölf Artikel konnte der Erhebung der Massen als Wahrzeichen und Banner dienen.

Das Bürgertum konnte dem Adel nicht trauen, weil der Kampf des Bürgertums gegen den Grundbesitzenden Adel und seine Vorrechte im vollen Gange war. Die Bauern konnten sich noch weniger mit dem Adel verbinden, denn die Lebensgrundlage des Adels ruhte auf der Leibeigenschaft der Bauern. Die Red."

Die Anmerkungen der Redaktion, die in der Ausgabe zu finden sind, weisen in eine konsequent revolutionäre Richtung. Zimmermann steht darum in der Kritik, weil er ein einseitiges Urteil und eine einseitige Verurteilung vermeidet. Er geht nicht weit genug, obwohl seine Zuneigung in seinen Ausführungen erkennbar aus der Seite der Bauern ist. Für die Redaktion dieser Ausgabe ist das zu wenig. Das zeigt sich besonders in der von Zimmermann vorgenommenen Schilderung der Erstürmung von Weinsberg durch ein Bauernheer im April 1525. Weinsberg wurde in der Geschichtsschreibung zu einem Synonym für den Verlauf des Bauernkrieges. Die Frage, ob mehr oder weniger Revolution in den Bauernkriegen zu einem für die Verfassung des Reiches erträglicheren Zustand geführt hätte, wurde gerade in dem revolutionären Aufbegehren des 19. Jahrhunderts erneut intensiv gestellt, weil die Gesellschaft der Zeit besonders in Deutschland sich einer vergleichbaren Fragestellung gegenüber sah wie zur Zeit der Reformation und der Bauernkriege.

Die Haltung Zimmermanns in dieser so wichtigen, alles entscheidenden Frage zeigt sich in der Darstellung der Erstürmung von Weinsberg. Die Bauernführer Jäcklein Rohrbach, Götz von Berlichingen und Florian Geyer stehen darin jeder für sich für eine Handlungsweise, die stellvertretend für eine Entwicklung von historischer Dimension angesehen werden kann.

Zimmermann fasst die Ereignisse in einem Kapitel: „Die Blutrache von Weinsberg" zusammen. Die Bauern hatten Weinsberg ein Ultimatum gestellt zur Übergabe der Stadt. Es wurde abgelehnt. Die Verteidigung gegen das drohend heranrückende Bauernheer hatte Graf Ludwig von Helfenstein organisiert, der sich mit einem Kontingent Berittener von Stuttgart nach Weinsberg begeben hatte. Bauern, die sein Trupp auf dem Wege dorthin antraf, wurden niedergemacht. Graf Helfenstein war mit der Tochter des 1519 verstorbenen Kaisers Maximilian I. verheiratet. Weinsberg wurde von den Bauern erstürmt, ebenso das in der Nähe gelegene Schloss des Grafen Helferich.

Die Bauern hatten sich militärisch in mehreren „Haufen" aufgestellt und waren so herangerückt. Einer der Haufen wurde von Jäcklein Rohrbach geführt, ein anderer die „Schwarze Schar" von Florian Geyer. Zimmermann beschreibt Florian Geyer als Ritter, der den Privilegien seines Standes entsagt hatte, um für die Freiheit des Ganzen zu wirken. Zimmermann urteilt über Florian Geyer: „Er glaubte, wenn das Volk frei werden sollte, müsse der Adel wie die Pfaffen den Bauern gleich gemacht werden, daß nur ein Stand würde auf deutschen Boden, der Stand der Gemeinfreien."

Ein anderer, Wendel Hipler, ein weiterer Anführer im Heer der Bauern und nicht den Edelleuten zugehörig, wollte Adel und Ritterschaft für die Sache der Bauern gewinnen. Ganz anders dachte Jäcklein Rohrbach. Er nahm einen entgegengesetzten Standpunkt zu den Vorstellungen Wendel Hiplers ein, aber auch die Zielsetzungen Florian Geyers genügten ihm nicht. Zimmermann schreibt dazu: „Jäcklein war der Mittelpunkt der Schreckensmänner im Bauernheer". Ohne Wissen der übrigen Anführer im Bauernheer ließ er den Grafen von Helfenstein und vierzehn weitere Edelleute durch die „Spieße laufen" und hinrichten. Der größte Teil im Bauernheer im eroberten Weinsberg erfuhr davon erst, als die Exekution beendet war.

Eine einheitliche Führung des Bauernheeres von achttausend Kampfbereiten, denen in Weinsberg nur eine geringe Zahl von Rittern gegenüberstand, konnte nicht herbeigeführt werden. Im Rat der Bauernhauptleute hatte sich Wendel Hipler durchgesetzt. Götz von Berlichingen sollte seinen Vorstellungen gemäß zum obersten Feldhauptmann gewählt werden. Diese Ereignisse in und um Weinsberg zeigen die Unterschiede und das Streben der Kräfte gegeneinander, das symptomatisch war für die Kriegsführung der Bauern. Florian Geyer trennte sich mit seiner „Schwarzen Schar" und ging eigene Wege, ebenso auch Jäcklein Rohrbach mit seinen Anhängern.

Die Redaktion versieht die Darstellung Zimmermanns kommentierend mit einer anderen Einschätzung: „Zimmermann beurteilt Jäcklein Rohrbach und seine Handlungsweise nicht richtig. Er stellt ihn lediglich als einen gewalttätigen Mann hin,...Das Überwiegen des gemäßigten Flügel der Bauern, das seinen Ausdruck in der Wahl Götz von Berlichingens zum obersten Feldhauptmann fand, war die Ursache, daß sich die entschlossenen vom hellen Haufen abwandten; so Florian Geyer mit seiner Schwarzen Schar. Aber auch Rohrbach verließ jetzt mit einem Teil der Bauern den Haufen. Jäcklein Rohrbach war nicht nur ein gewalttätiger Mann, sondern ein sehr konsequenter Vertreter der Bauern, der genau wusste, daß dieser Kampf rücksichtslos zu Ende geführt werden musste. (Diese Auffassung teilt auch Friedrich Engels.) Die Red.".

 

III. Wilhelm Zimmermanns Darstellung des Bauernkrieges

Wilhelm Zimmermann hat ein feines Gespür dafür, wo die Grenze zwischen leidenschaftlichem Gerechtigkeitssinn und revolutionärer Gewalt liegt. Seine Geschichte des Bauernkrieges lässt sich mit ihren Fragestellungen und Problemfeldern, die sich daraus ergeben, zeitlos übertragen auf andere Zeitabschnitte der Deutschen Geschichte.

Die Biographie Wilhelm Zimmermanns, sein Lebensweg und seine Lebensleistung sind eng verknüpft mit seinen Geschichtswerken. Trotz Empfindungen darin, die Leidenschaft erkennen lassen, verlässt er nicht die Bahnen ausgewogener Gegenüberstellung. Es bleibt bei einer vernünftigen Betrachtung, die nicht ausufert in Glorifizierungen, wie sie oft zu finden waren in seiner Zeit und in der Zeit danach. Er vermeidet nicht eine kritische Bestandsaufnahme, aber seine Kritik wird nicht ins Maßlose gesteigert aus Resignation oder Enttäuschung. Diese Linie behält Zimmermann bei auch über andere Zeiträume Deutscher Geschichte, denn Zimmermann hat nicht nur den Zeitraum der Reformation und des Bauernkrieges abgehandelt. Die Maxime seiner Geschichtsauffassung wird erkennbar in dem Satz: „Der Patriotismus, welcher, statt nach beiden Seiten gerecht zu sein, parteiisch die Geschichte schreibt,...ist nicht blos ein falscher Patriotismus, welcher unter der Stufe der Humanität zurückgeblieben ist, sondern ein Verrath an der Wahrheit,..."

Er ist nicht nur kritisch, sondern auch selbstkritisch. Zur zweiten Auflage seiner Bauernkriegsgeschichte 1856 schreibt er: „Alles, was mir jugendlich und idealisierend an der früheren Gestalt des Buches, alles, was nicht zur Sache notwendig zu gehören schien, alles Parteifarbige und Tendenziöse habe ich ausgeschnitten, ganz Neues eingefügt, nicht nur sehr vieles, sondern das Ganze in der Form umgestaltet."

1. Der Bauernkrieg aus der Sicht Wilhelm Zimmermanns

Zimmermann lässt die Hauptakteure der Zeit sich gegenübertreten. Im Bauerkrieg kommt es zum Zusammenstoß unterschiedlichster Gegensätze, die ausgeleuchtet werden. So gerät seine Darstellung zu einer Vielschichtigkeit. Diese Vielschichtigkeit lädt auch zu einer entsprechenden Betrachtung ein. Sie weckt nicht nur ein Bewusstsein für historische Vorgänge, sie soll auch ein soziales Gewissen wachrufen. Reaktionen auf sein Buch sind da erfolgt, wo das Bestreben lebendig war, soziale Zustände zu verändern. In der bürgerlichen Welt und den darin angesiedelten Wirtschaftssystemen ist es totgeschwiegen oder oberflächlich abgehandelt worden.

2. Interpretationen zu seiner Darstellung

Zimmermanns Bauerkriegsgeschichte hat zu seiner Zeit und in der Zeit nach ihm Anhänger und Gegner gefunden. Sein Buch ist je nach politischem Standort interpretiert worden, wie es die verschiedenen Ausgaben als Beispiel zeigen. Ein Ziel verfolgen alle Ausgaben, sie wollen eine Breitenwirkung erzeugen, und es politischen Zielsetzungen dienstbar machen. Damit erhält Zimmermanns Werk eine politische Bedeutung, die über den wissenschaftlichen Charakter des Werkes, der ihm nicht abgesprochen werden kann, hinausgeht.

3. Stilistische Aufarbeitung der historischen Vorgänge

Das Buch Wilhelm Zimmermanns hat einigen Umfang, der einen erheblichen Arbeitsaufwand erfordert hat. Dem Umfang des Buches entsprechend war auch eine Erforschung und Sichtung des Quellenmaterials nötig. Einer Aufgabe der sich Zimmermann gestellt hat. Das Buch in seinem Stil und Aufmachung weckte ein Interesse, das über die Fachwelt hinausgegangen ist, wie es die Reaktionen zeigen. Es ist nicht nur ein wissenschaftliches Buch, es ist auch ein politisches Buch, das mit seiner Wirkungsgeschichte einen bleibenden Wert erhalten hat.

Der Bauernkriegshistoriker Günther Franz hat in Zimmermanns Buch eine Kampfschrift gesehen, und es daher einer kritischen Betrachtung unterzogen.

4. Betrachtungen für die Nachwelt

Der deutsche Bauernkrieg hat auch in späteren Zeiten Beachtung gefunden. Das Ereignis konnte nicht umgangen werden. Leopold von Ranke hat es daher als das „größte Naturereignis des deutschen Staates" bezeichnet. Zimmermanns Bauernkriegsgeschichte ist zugleich sein Hauptwerk, das seinen Lebensweg mitgeprägt hat mehr als alles, was sonst an Veröffentlichungen von ihm ausgegangen ist. Er hat aber nicht nur seine Zeit ansprechen und aufrütteln wollen, sondern wollte auch in die Zukunft hineinwirken. In die Zukunft weist darum auch der Satz auf seinem Grabstein in Owen, seiner letzten Pfarrdienststelle: „Wenn auch Welle auf Welle sich bricht und zerstäubt, der Strom geht weiter." Dieser Satz widerlegt Betrachtungen und Aussagen darüber, ob Zimmermann sich im Laufe seines Lebens hat verbiegen lassen.

 

Literaturverzeichnis:

Dr. W. Zimmermann’s

Großer Deutscher Bauernkrieg

Herausgegeben von Wilhelm Blos

Stuttgart 1891

 

Dr. W. Zimmermann

Der große Bauernkrieg

Wissenschaftliche Volksbücher

Herausgegeben von Franz Gansberg

Hamburg und Berlin 1912

 

Dr. W. Zimmermanns

Großer Deutscher Bauernkrieg

Herausgegeben von Wilhelm Blos

Billige Volksausgabe

Stuttgart 1913

 

Wilhelm Zimmermann

Der deutsche Bauernkrieg

Bearbeitet von Gottfried Falkner

Graz-Wien- Berlin 1933

 

Wilhelm Zimmermann

Der grosse deutsche Bauernkrieg

Volksausgabe

Berlin- DDR 1976

 

Engels, Friedrich

Der deutsche Bauernkrieg

Berlin 1984

Winterhager, Friedrich

 

Wilhelm Zimmermann

Ein schwäbischer Pfarrer als Historiker des Bauernkrieges

Würzburg 1986

 

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