Lutherrose
 
Polnische Botschaft
Israelische Botschaft

Heinz Drews                                                                        Hamburg, den 20. November 2006

Sierichstraße 106

22299 Hamburg

 

Botschaft der Republik Polen

Lassenstrasse 19- 20

14193 Berlin

 

In jüngster Vergangenheit hat sich in den Beziehungen zwischen Deutschland und Polen ein politisches Stimmungstief entwickelt, in dem, wie oft in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die Geschichte, die für beide Länder und seine Menschen leidvolle Erfahrungen mit sich brachten, zurückgegriffen wurde. Zwei Vorwürfe, die von polnischer Seite gegen Deutschland erhoben wurden, stehen dabei im Vordergrund: Das in Deutschland diskutierte und geplante Vertriebenenzentrum und die Pipeline, die von Russland nach Deutschland durch die Ostsee geleitet werden soll.

Die polnischen Vorwürfe gipfelten in Analogien zum Hitler- Stalin- Pakt. Damit wird nicht nur die Regierungszeit des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, sondern auch die der Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Nähe Hitlers gerückt. Solche Vorwürfe verlassen den Rahmen des politisch und diplomatisch Zulässigen. Eine Kommentierung erübrigt sich daher.

Zum Hitler- Stalin- Pakt habe ich gegenüber der Polnischen Botschaft mehrfach Stellung genommen. Damit habe ich eine Frage verbunden, die bisher noch keine Antwort gefunden hat. Hitlers Einmarsch wurde verurteilt und hat zu einer Kriegserklärung geführt. Stalins Einmarsch, der zum selben Zeitpunkt stattfand, hatte keine solche Konsequenzen und wurde im nachhinein sogar noch gerechtfertigt und vertraglich abgesichert.

Der zweite oben angesprochene Streitpunkt ist das in Deutschland diskutierte Vertriebenen- Zentrum. In Polen stößt dieses Vorhaben auf Widerstand. In den Anklagen gegen Deutschland ist von polnischer Seite ein anderes historisches Ereignis, nämlich die Teilung Polens zwischen Russland, Österreich und Preußen von 1772 bis 1795, einbezogen worden.

Zu diesem Thema habe ich mich ebenfalls mehrfach gegenüber der Polnischen Botschaft geäußert. Die polnische Teilung war ein Unrecht, für das keine Rechtfertigung versucht werden sollte. Preußen hat während dieser Teilungen auch Grenzen verschoben, aber niemals die Menschen mit verschoben, das blieb dem fortschrittlichen zwanzigsten Jahrhundert vorbehalten. Preußen hat auch die kulturelle Eigenständigkeit seiner polnischen Bewohner nicht angetastet.

Mit Deutschland wird heute anders verfahren.

Mit einer Geschichtsdarstellung, mit der ein Geschichtsbild erzeugt wird, entsteht der Eindruck, als bestünde die Deutsche Geschichte aus nichts anderem als aus Hitler und seiner Ideologie, und als sei die Deutsche Geschichte geradezu auf Hitler zugeschnitten. Mit dieser politischen Tendenz geht eine Diskreditierung und Zerstörung der Deutschen Kultur- Geistesgeschichte einher.

Um diese These zu untermauern, habe ich als Ablichtung ein Schreiben beigefügt, das ich am 21. März 2006 an den Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Herrn Dr. Edmund Stoiber, gerichtet habe.

Polen hat neben anderen maßgeblichen Mächten 1934 einen Beitrag zur Festigung der Herrschaft Hitlers in Deutschland geleistet mit dem Abschluss des Gewaltverzichtsabkommens vom 26. Januar 1934. Es war nicht das einzige Abkommen, mit dem die NS-Herrschaft von außerhalb Deutschlands hoffähig gemacht wurde und hinführte bis zu Münchener Abkommen und dem Hitler-Stalin-Pakt.

Zum polnischen Widerstand gegen die Errichtung eines Vertriebenenzentrums in Deutschland ist in Polen oft von dem „Tätervolk" die Rede gewesen. Ich erlaube mir die Frage, ob es wirklich so einfach ist. Es gibt keine Opfer- und Tätervölker im Rahmen einer Kollektivschuldanklage. Es gibt keine Kollektivschuld und es gibt keine Kollektivunschuld. Es wäre gut gewesen, wenn solche Lehren aus der Geschichte gezogen worden wären.

„Alle sind an allem Schuld, und ich am allermeisten," so hat es der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski zum Ausdruck gebracht.

Als Hitler und sein ideologischer Anhang 1933 in Deutschland zur Macht gelangten, wussten die politisch Verantwortlichen in aller Welt, wer Hitler war und was er wollte. Der Deutsche Widerstand gegen diese Entwicklung wurde von Anbeginn ignoriert. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat als einzige Partei im Reichstag der Weimarer Republik Hitler am 23. März 1933 die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz verweigert, was für die Betroffenen zu erneuten Verfolgungen und Repressalien führte. Solidaritätskundgebungen von nennenswertem Ausmaß hat es von außerhalb Deutschlands nicht gegeben, als Deutschlands Weg in die Diktatur seinen Anfang nahm. Das ist nur eins von vielen Beispielen, die angeführt werden könnten.

Was dem demokratisch verfassten Staat der Weimarer Republik und insbesondere demokratisch orientierten Politikern in dieser Zeit von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges verweigert wurde, das wurde Hitler in besonders großzügiger Weise zugestanden. Zahlreiche Fakten ließen sich auch hierzu anführen.

Polen und seine östlichen Nachbarn und Deutschland und seine östlichen Nachbarn haben insgesamt eine gemeinsame Geschichte, aus der es Konsequenzen zu ziehen gilt. Konsequenzen, die nicht darin bestehen können, politische Rivalitäten, die mit ihren politischen Konstellationen schon zum Teil auf eine unheilvolle Tradition von mehreren Jahrhunderten zurückblicken können, wieder zum Leben zu erwecken und wach zu halten.

Statt alte Feindbilder zu erneuern, könnten Deutschland und Polen gemeinsam eine alternative Politik entwickeln, die in Richtung Osten einen Prozess der Verständigung und Zusammenarbeit einleiten und ermöglichen könnte.

Für Kritik aus Polen am Vertriebenenzentrum in Deutschland, das sich immer noch im Stadium der Diskussion befindet, habe ich kein Verständnis. Unlängst ist das Zentrum zum Gedenken an die von den NS-Machthabern ermordeten Juden fertig gestellt worden. Mit Nachdruck habe ich mich für die Errichtung dieses Zentrums eingesetzt, als die Diskussion darüber lief. So auch in einem Schriftwechsel mit dem inzwischen verstorbenen, ehemaligen Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Herrn Ignaz Bubis.

Mit eben demselben Nachruck werde ich mich auch für die Errichtung eines Zentrum für die deutschen Vertriebenen einsetzen, und zwar als deutsches Zentrum und nicht verschämt irgendwo in einer Ecke, sondern eindringlich und weithin sichtbar. Dieses Zentrum soll und darf nicht gegen Polen oder die Menschen in Polen gerichtet sein. Das ist auch nicht beabsichtigt.

Seit mehr als anderthalb Jahrzehnten habe ich in Zeitabständen der Polnischen Botschaft zugeleitet, dem zum Teil umfangreichen Informationsmaterial beigefügt war mit der Tendenz, wie ich sie in diesem Schreiben kurz zusammengefasst habe. Eine Antwort habe ich nie erhalten. Zu dieser ablehnenden Haltung, um nicht zu sagen Missachtung, habe ich keine Veranlassung gegeben, das ließe sich in einem öffentlich wirksamen Dialog sehr leicht nachweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Drews34

Antwort der Polnischen Botschaft

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