Lutherrose
III. Der Staatssozialismus

III. Der Staatssozialismus

1. Bismarck, Karl Marx und Ferdinand Lassalle

Wer den Staatssozialismus als solchen vollständig verwirft,...der muss überhaupt dem Staate das Recht absprechen, da wo sich Gesetz und Recht zu einer Kette und zu einem Zwang, der unsere freie Atmung hindert, verbinden, mit dem Messer des Operateurs einzuschneiden und neue gesunde Zustände herzustellen. (Bismarck am 15. März 1884 im Reichstag)

Als Bismarck im September 1862 von König Wilhelm I. zum preußischen Ministerpräsidenten berufen wurde, hatte er kurze Zeit darauf die heraufziehende Gesellschaftsschicht der Arbeiter in sein politisches Blickfeld genommen, als er im März 1863 Ferdinand Lassalle zu Gesprächen einlud. Bismarck hatte mit Lassalle auf privater Grundlage diese Unterhaltungen geführt, die nach eigenem Bekunden mehrere Stunden gedauert hätten, und die er, ebenfalls nach eigenem Bekunden, als lehrreich und angenehm empfand. Zum Themenkatalog gehörte das allgemeine Wahlrecht und die Gründung von Produktivassoziationen mit Staatshilfe. Lassalle hat in beiden einen notwendigen Zusammenhang gesehen.

Das allgemeine Wahlrecht wurde wenige Jahre später zur Wahl des Reichstages des Norddeutschen Bundes eingeführt.

Ignaz Auer übte deutlich formulierte Kritik an der Haltung der Liberalen in der Abstimmung zum Sozialistengesetz im Oktober 1878, weil sie dem Gesetz schließlich mehrheitlich zugestimmt hätten, obwohl sie hätten erkennen müssen, dass es auch gegen den Liberalismus gerichtet gewesen sei. In der Politik der Regierung sah Auer nur ein taktisches Vorgehen gegen den Liberalismus. In seinem Buch: „Nach zehn Jahren“ lässt er durchblicken: „Vom Standpunkt der liberalen Manchestermänner war die staatssozialistische Bewegung,...mindestens ebenso verwerflich und ihren möglichen praktischen Folgen zunächst sogar gefährlicher als die sozialdemokratische Bewegung.“ Auer sah die Regierung auf dem Wege „eine politisch reaktionäre staatssozialistische Arbeiterpartei zu gründen“, um so Liberalismus und Sozialdemokratie in gleicher Weise ausschalten zu können.

Auer sah in dem Versuch, mit schlesischen Webern anfangs der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts einen Genossenschaftsbetrieb zu betreiben, ein ebenso hintergründiges politisches taktieren. Zu dem Zeitpunkt hatte Bismarck über Lothar Bucher Kontakt zu Karl Marx aufgenommen, und ihm die Mitarbeit am preußischen „Staatsanzeiger“ angeboten. Das Angebot war mit keiner Auflage verbunden. Marx wurde in der Gestaltung seiner Beiträge alle Freiheit zugesichert. Das finanzielle Angebot war ebenso großzügig gehalten.

Die Pläne, denen Bismarck von Anbeginn seiner Amtszeit anhing, hatte der führende Vertreter der Nationalliberalen, Bamberger, in einem Vortrag am 21. Oktober 1878 vor der

„Gemeinnützigen Gesellschaft zu Leipzig“ einer kritischen Betrachtung unterzogen. Er führte aus, Bismarck sei in „politischen Parteifragen ein Eklektiker“ gewesen. Vorwurfsvoll stellte Bamberger in seinem Vortrag fest, der Gedanke an Produktivassoziationen sei immer noch nicht aufgegeben worden. Bismarck hatte in seiner Reichstagsrede am 17. September 1878 auf englische Beispiele verwiesen. Bamberger dazu:

,...den Premierminister möchte ich sehen, der in England es wagen dürfte, vor dem Parlament von Produktivassociationen mit Staatshülfe zu sprechen.“ Der Gedanke, so Bamberger weiter, verdiene es nicht, „...vor einer parlamentarischen Versammlung in ernstem Tone dargelegt zu werden,...“

In aller Schärfe wandte er sich noch einmal an die Politik Bismarcks: „Jene Fabrikanten von Plänen für Staatsfabriken zur Lösung der Arbeiterfrage, das sind die greulichsten
Doctrinäre, und Schaum und Traum ist alles, was sie ausbrüten! Leider steht der Reichskanzler mit solchen Anwandelungen nicht vereinzelt.“

Themen

Sozialistengesetz 1878Seiten AnfangIV. Das Sozialistengesetz und die Folgen

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