Lutherrose
Gerhard Schröder Bundeskanzler von Deutschland

Heinz Drews                                                              Hamburg, den 17. August 2004

Postfach 605475

22249 Hamburg

                                                                       Aktenzeichen: 012-K 000 638/89/0016

Herrn

Gerhard Schröder

Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland

Bundeskanzleramt

Breite Straße 3

10178 Berlin

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!

 

Am 3. August 2004 ist ein Schreiben an die Polnische Botschaft ergangen, das zur Information für Sie als Ablichtung beigefügt ist.

Am 1. August dieses Jahres sind Sie auf Einladung der polnischen Regierung nach Warschau gereist, um an der Gedenkfeier zur sechzigjährigen Wiederkehr des Warschauer Ghetto- Aufstandes teilzunehmen. Sie haben in Ihrer Rede den polnischen Wünschen entsprochen und sich auf der Einbahnstraße der Vergangenheitsbewältigung bewegt. Es ist die seit Jahrzehnten gängige Methode, in der gewichtige historische Fakten willkürlich ausgeblendet werden. Diese Straße mündet erkennbar in ein neues Verhängnis, nicht nur für Polen und Deutschland. Die Kosten solcher Vergangenheitsbewältigung werden ideell und materiell einseitig auf Deutschland abgewälzt. Außerhalb dieser Grundlage war die polnische Seite zu keiner Geste der Versöhnung bereit, und das hat der deutsche Bundeskanzler gewusst, bevor er seine Reise nach Warschau angetreten hat.

Die deutschen Vertriebenenverbände setzen sich ein für die Errichtung eines Mahnmales zum Gedenken an die mehr als 15 Millionen Vertriebenen aus den ehemals ausschließlich von Deutschen bewohnten Teilen Deutschlands, die nach dem Zweiten Weltkrieg Polen zugesprochen wurden. Das Anliegen der Vertriebenenverbände ist berechtigt.

Ich habe mich in einem Schriftwechsel mit dem verstorbenen Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Herrn Ignaz Bubis, entschieden für die Errichtung eines Mahnmales zum Gedenken an  die jüdischen Opfer der NS-Herrschaft eingesetzt.

Mit der gleichen Entschiedenheit werde ich mich auch für die Errichtung eines Mahnmales in Berlin, mit dem der Vertreibung der Deutschen gedacht werden soll, einsetzen.

Am 1. September 1939 wurde mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen der Zweite Weltkrieg ausgelöst. Das Vereinigte Königreich und Frankreich hatten Polen ein Garantieversprechen gegeben und erklärten Deutschland den Krieg. Die beiden Mächte haben dieses Garantieversprechen nie eingehalten und nie eingelöst.

Zum Zeitpunkt des deutschen Einmarsches war Polen bereits aufgeteilt. Diese Aufteilung war in den Abmachungen des Hitler- Stalin-Paktes im August 1939 festgeschrieben worden. So erfolgte denn auch der Einmarsch der Roten Armee in Polen. Hitlers Einmarsch ist verurteilt worden und hat zu Kriegserklärungen geführt, Stalins Einmarsch zum selben Zeitpunkt dagegen nicht weder zum Zeitpunkt des Einmarsches und auch später nicht. Stalin durfte seinen Raub nach dem Zweiten Weltkrieg auch noch behalten. Fragen, die hier zwangsläufig entstehen werden nicht gestellt und darum auch nicht beantwortet.

Die angedachte Errichtung eines Mahnmales für die deutschen Vertriebenen hat in Polen zu Reaktionen geführt, für die kein Verständnis mehr aufgebracht werden kann. Es war geradezu infam, wie der deutsche Bundeskanzler in der polnischen Presse dargestellt worden ist. Das war nicht nur ein Angriff auf die Person des deutschen Bundeskanzlers, sondern auch ein Angriff auf das Amt selbst. Es gehört schon zu den vielen Merkwürdigkeiten, wenn deutsche Politiker in solchen Fällen ängstliche Zurückhaltung üben.

Darüber hinaus war es auch ein Angriff auf die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, in dem keine Rechtfertigung mehr zu erblicken ist. Die Haltung der SPD gegenüber den Machthabern der NSDAP ist ein Lichtblick in der Deutschen Geschichte. Die SPD war die einzigste Partei, die im Reichstag am 23. März 1933 Hitler die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz verweigert hat. Schon im Vorfeld zu den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 ist es in ganz Deutschland zu Massenverhaftungen unter SPD- Mitgliedern gekommen. Nicht wenige Sozialdemokraten haben die Zeit der NS-Herrschaft im KZ verbracht. Das und andere Ereignisse haben die polnische Regierung  nicht davon abhalten können, 1934 mit dem Hitler- Regime einen Freundschaftsvertrag zu schließen. Die polnische Seite wird hier nicht behaupten können, das sei in Unkenntnis der Zusammenhänge geschehen.

Der Wiedervereinigungsprozess und die Beziehungen zu Polen sind in Zusammenhang mit obigen Betrachtungen von besonderer Bedeutung. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist wirtschaftlich und politisch gescheitert, daran werden alle beschwichtigenden Vorstellungen aus der Politik nichts ändern können. Zwei Millionen Menschen haben seit der Wiedervereinigung die „Neuen Bundesländer“ verlassen, und es werden schon in aller Offenheit Betrachtungen angestellt, ob nicht Menschen aus Polen hier nachrücken könnten. Die Vertreibung der Deutschen ist also noch nicht am Ende, sie wird nur mit etwas anders gearteten Mitteln fortgesetzt. Es wäre als selbstverständlich anzusehen, wenn Deutschen in Polen die gleichen Rechte eingeräumt würden, wie sie Menschen aus Polen in Deutschland besitzen oder wahrnehmen, bis hin zu einem eigenen Fernsehkanal. Sicher nicht unüberlegt werden die Filme darin mit englischen Untertiteln gezeigt.

Die Kosten der Wiedervereinigung haben in Deutschland zu einer wirtschaftlichen Talfahrt geführt. Schuld daran sei, so wird vielfach behauptet, die Misswirtschaft der SED gewesen. Auch der Bundeswirtschaftsminister hat zu einer solchen Ausrede angesichts der „Montagsdemonstrationen“ seine Zuflucht genommen. Wie ist das zu verstehen? Hat die SED in Teheran, Jalta und Potsdam mit zu Tisch gesessen, als die europäische Nachkriegsordnung ausgehandelt wurde?  Der „Aufbau Ost“ ist begleitet von einer gigantischen Staatsverschuldung, diese Verschuldung steigt gegenwärtig im Sekundentakt. Das ist das Erbe der Kohl-Regierung und einer von den Westmächten betrieben Deutschland-Politik und nicht das Erbe der SED, wie es ein politischer Opportunismus wahrhaben möchte. Es ist schon atemberaubend, wenn bundesdeutsche Politiker treuherzig versichern, wir dürften der nachfolgenden Generation keine Schulden hinterlassen.

Das Erbe, das die NS-Herrschaft 1945 in Deutschland hinterlassen hatte, war in seinem Ausmaß der Zerstörung weitaus umfangreicher als das Erbe der SED. Trotzdem ist der Wiederaufbau Deutschlands in zwei Jahrzehnten nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 ohne Staatsverschuldung gelungen. Erst unter den   Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt setzte in größerem Umfang eine Staatsverschuldung ein, was Finanzminister Alex Möller und Wirtschaftsminister Karl Schiller zum Rücktritt bewog. Der Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorf im Kabinett Schmidt hat 1976 in einer Fernsehgesprächsrunde den Hinweis einfließen lassen, diese Staatsverschuldung sei erzwungen worden von Mächten, die er nicht nennen wollte.

Im August dieses Jahres ist ein weiteres Fenster zur Vergangenheitsbewältigung aufgestoßen worden. Es ist erinnert worden an den hundertsten Jahrestag des Herero- Aufstandes im Jahre 1904 im damaligen Deutsch- Süd- Westafrika. Das Thema ist von den Medien in Deutschland aufgegriffen worden, wenn auch sehr zaghaft. Die Regierung von Namibia erwartet von Deutschland eine Entschuldigung und eine angemessene Wiedergutmachung und hat vor einem amerikanischen Gericht Klage erhoben. Deutschland sollte eine Entschuldigung leisten ohne Einschränkungen und ebenso ganz offiziell eine Wiedergutmachung. Der Hinweis, es flössen ja Entwicklungshilfegelder, reicht nicht. Sollte ein amerikanisches Gericht, ein solches Eingeständnis zum Anlass nehmen und in einem Schuldspruch mit einbeziehen, dann kann die Unredlichkeit eines solchen Urteils leicht nachgewiesen werden.

Es könnte dann Indianerorganisationen und afrikanischen Regierungen und Organisationen des Recht eingeräumt werden, die US-Regierung von einem deutschen Gericht aus zu verklagen, dafür, dass die amerikanischen Ureinwohner bis auf einen kleinen Rest dezimiert worden sind. Dieser Rest ist Lebensbedingungen unterworfen, die einer Verbesserung bedürfen. Die Sklaverei mit all ihren grausamen Exzessen, die über Generationen hinweg in und von Amerika aus betrieben worden ist, bietet genügend Anlass zu einer kritischen Bestandsaufnahme. Bill Clinton hat während seiner Amtszeit verschiedene afrikanische Länder besucht und ausdrücklich eine Entschuldigung ausgesprochen für das, was dem afrikanischen Kontinent angetan wurde. Politische Taten sind diesem Eingeständnis allerdings nicht gefolgt.

Der Aufstand der Hereros im August 1904 erfolgte überfallartig, ihm fielen im ersten Anlauf mehr als 120 deutsche Farmer zum Opfer, die umgebracht und teilweise grässlich verstümmelt wurden. Das muss hier nicht im einzelnen geschildert werden. Der Aufstand wurde vom britischen Herrschaftsbereich aus mit Waffen und Kapital versorgt, weshalb denn auch britische Staatsbürger, die sich im deutschen Herrschaftsbereich niedergelassen hatten, von den Hereros verschont wurden. Die Deutschen, so lautet das Gegenargument, hätten nicht das Recht besessen, sich in Süd- West niederzulassen und dort ihre Herrschaft aufzurichten. Das ist zweifellos richtig. Das gilt aber für andere Kolonialmächte wie Belgien, Britannien, Frankreich, Portugal und Spanien ebenso. Dass diese Mächte ihre Kolonialherrschaft humaner gestaltet haben als Deutschland, wird wohl niemand im Ernst behaupten wollen.

Was dem afrikanischen Kontinent gegenwärtig angetan wird, hat manchen Betrachter veranlasst, von einem Neokolonialismus zu sprechen. Peter Scholl- Latour hat darüber ein umfangreiches Buch veröffentlicht mit dem Titel: „Afrikanische Totenklage“ und in mehreren Fernsehsendungen darüber berichtet. Die Urenkel des Herrn von Trotha können sich heute das millionenfache Morden auf dem afrikanischen Kontinent bei ARD, ZDF und anderen Fernsehkanälen in der ersten Reihe mit Filzpantoffeln und Flaschenbier betrachten.

Der gigantische Ausbeutungsprozess, der mit ebenso gigantischer Rücksichtslosigkeit auf dem afrikanischen Kontinent von alten und neuen Kolonialmächten betrieben wird, hat noch keine afrikanische Regierung zu einem nennenswerten Protest veranlasst, auch die Regierung von Namibia nicht.

Das jüngste Beispiel sind die Ereignisse im Sudan. Die ständigen Mitglieder des Uno- Sicherheitsrates haben sich wirksamen Maßnahmen bisher verschlossen, um einer Entwicklung Einhalt zu gebieten, die sich für Millionen Menschen immer bedrohlicher gestaltet.

Die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates hätten ihre „Interessen“ im Sudan wahren müssen, hat es in Medienberichten dazu geheißen. Solche Berichte sind in einem Stil gehalten, als müsse für die Haltung dieser Mächte auch noch Verständnis aufgebracht werden. Vielleicht lässt sich das Ungemach, das über den afrikanischen Kontinent ausgebreitet wird, letztlich auf die deutsche Kolonialherrschaft zurückführen, damit dann alles auch auf deutsches Schuldkonto abgebucht werden kann. Deutschland war diesbezüglich immer großzügig. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sind Deutschland Billionenbeträge entlockt worden und so abgeflossen. Für die Hereros ist dabei nichts übrig geblieben. Da gibt es aber noch ein zusätzliches Problem. Ein deutsches Schuldeingeständnis, verbunden mit entsprechenden Wiedergutmachungsleistungen schüfe einen Präzedenzfall, der andere ehemalige Kolonialmächte in Zugzwang bringen könnte, und das dürfen wir doch nicht wollen. Sonst bringen wir noch Mächte in Verlegenheit, mit denen wir eng und freundschaftlich verbunden worden sind.

Vor der Wiedervereinigung lebten in der DDR vierhundert junge Menschen aus Namibia zu Ausbildungszwecken. Sie wurden nach der Wiedervereinigung sofort nach Namibia abgeschoben. Das wurde wohl als notwendig erachtet, sonst hätte der Verdacht aufkommen können, Deutschland habe noch Ambitionen in diesem Gebiet.

Die Not auf dem afrikanischen Kontinent wächst sehenden Auges täglich. Ich habe dazu in einem Schreiben vom 27. Juli 2004  an den Herrn Bundesaußenminister einiges ausgeführt. Das Schreiben ist als Ablichtung beigefügt.

           Mit freundlichen Grüßen

           Heinz Drews15

Überleitungsvertrag

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