Lutherrose

Schreiben an die Tschechische Botschaft

Der Verlauf der Wiedervereinigung
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Der Verlauf der Wiedervereinigung
Brief an: Ständige Vertretung der DDR
Antwort: Ständige Vertretung der DDR
Eine Rede zur Wiedervereinigung
In Arbeit, Bilder von Berlin
Prognosen zur Wiedervereinigung
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                                                                                                                       Oktober 2004

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Der Verlauf der Wiedervereinigung 

Die 1990 vollzogene Wiedervereinigung Deutschlands wurde von Anbeginn in falsche Bahnen gelenkt. Nahezu fünfzehn Jahre danach zeichnet sich ein Konfliktpotential ab, das oft in der politischen Darstellung der Gegenwart leichtfertig übergangen wird.

Die Wiedervereinigung ist politisch und wirtschaftlich gescheitert, aber es fehlt der Mut zu einem offenen Eingeständnis, den die verantwortliche Politik leisten müsste, damit eine Umkehr vollzogen werden kann von einem verhängnisvollen Weg, der sonst in einen noch tieferen Abgrund führt. Trotz dramatischer Entwicklungen, die offenkundig sind, wird weiter ein Bild entworfen, das die Wirklichkeit auch nicht annähernd wiedergibt. Eine Analyse, in der die Fehlentwicklungen aufgedeckt werden, wird sorgfältig vermieden. Keine der Hoffnungen, die zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung von den Menschen in der DDR getragen wurden, sind in Erfüllung gegangen. Dem Auge haben sich keine blühenden Landschaften aufgetan. Eine wirtschaftliche und politische Erfolgsgeschichte wie nach dem Zweiten Weltkrieg ist geradezu vermieden worden. Sie war ganz offensichtlich unerwünscht. Mit Treuhandpolitik und Steuersubventionen und dem damit betriebenen Missbrauch sind Billionenbeträge verschleudert und in die Gosse gekippt worden. Das Ergebnis ist eine Staatsverschuldung, die im Sekundentakt ansteigt. Astronomische Summen werden hier gehandelt und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht in Sicht.
Die Staatsverschuldung mit einer deflationären Wirtschafts- und Währungspolitik anzugehen, wie es geschieht, das ist aberwitzig. Die Deflation ist ein Strudel der alles nach unten zieht. Ein beherzter Jüngling, der sich bereit fände, den goldenen Becher der Billionenverschwendung aus der Tiefe des Meeres zu holen, ist nicht in Sicht. So stehen die Könige, Ritter und Knappen der Staatskunst und Wirtschaftsweisheit auf der Klippe des Steilhanges und schauen ängstlich hinunter in die Brandung, die tosend gegen die Küste rollt und alles zu untergraben droht.1) Vielleicht werden sie nicht warten bis alles wegbricht, sondern sich rechtzeitig davonmachen.
Mit dem Vollzug der Wiedervereinigung war die Hoffnung verbunden auf eine Wirtschaftsentwicklung, wie sie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden hatte. Es geschah das Gegenteil. Die Investitionen blieben aus, und wenn welche getätigt wurden, blieben danach Investitionsruinen, nachdem die Steuersubventionen dafür abkassiert worden waren. Eine nennenswerte Bautätigkeit war nicht zu verzeichnen, obwohl der Bedarf an Sanierung und Erneuerung alter Bausubstanz unermesslich war und ist.

Die Treuhand verschleuderte DDR- Unternehmen für DM 1.-. Selbst Unternehmen, die wettbewerbsfähig gewesen wären oder zu verhältnismäßig günstigen Bedingungen hätten wettbewerbsfähig gemacht werden können, wurden eingestampft.

Die junge Generation flieht seither das „Beitrittsgebiet“, wie es zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung auch genannt wurde, wegen Perspektivlosigkeit. In fünfzehn Jahren werde die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den alten und neuen Bundesländern erreicht sein, so lautet das neueste Versprechen, das ebenso nicht in Erfüllung gehen wird wie bereits bisher gemachte Versprechen, jedenfalls nicht mit der politischen Linie, wie sie gegenwärtig verfolgt wird.

Besserwessis behaupten gerne, die Politik der SED sei für das alles verantwortlich. Das ist irreführend, verantwortlich für diese Entwicklung ist der neu erwachte Manchesterkapitalismus, der sogar das Sozialversicherungssystem, das Bismarck in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet hat, in Frage zu stellen gedenkt. Ein Kapitalismus, der von der Voraussetzung ausgeht, seine Stunde sei gekommen, um sich rücksichtslos in Szene zu setzen,  nachdem das Konkurrenzsystem weggebrochen ist.

1) Friedrich Schiller: „Der Taucher“

Es folgt der Inhalt eines Schreibens an die ständige Vertretung der DDR mit Datum vom 19. Juli 1988, dem ein begleitender Kommentar angehängt ist.

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Heinz Drews                                                        Hamburg, den 19. Juli 1988

Postfach 605475

2000 Hamburg 60

 

An die

Ständige Vertretung der

Deutschen Demokratischen Republik

Godesberger Allee 18

5300 Bonn

 

In meinem Schreiben an die Ständige Vertretung der DDR möchte ich vorweg hinweisen auf die beigefügten, kopierten Stellungnahmen:

Es handelt sich um zwei Schreiben, die ich am 31. Juli 1987 und am 4. Januar 1988 an das Generalkonsulat der UdSSR in Hamburg gerichtet habe sowie ein Schreiben an die Botschaft der UdSSR in Bonn vom 22. Dezember 1987.

Ebenso möchte ich hinweisen auf eine Stellungnahme an die Redaktion der Tageszeitung „Die Welt“ vom 18. Januar 1988 und ein Schreiben an die Griechische Botschaft vom 16. Februar 1985. Zu dem Schreiben an die Griechische Botschaft werde ich noch gesondert Stellung nehmen.

Zuletzt weise ich hin auf das Werk Silvio Gesells: „Die natürliche Wirtschaftsordnung“, das ich der Ständigen Vertretung der DDR mit diesem Schreiben übermitteln möchte.

Erlauben Sie mir bitte zu dem beigefügten Material eine kurze Kommentierung: Für mich als Bürger der Bundesrepublik Deutschland ist es unverständlich, warum zwei Staaten wie die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland bisher zu keiner wirklichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit gelangt sind. Es gibt auf der Welt kaum zwei Nachbarstaaten, für die so günstige Voraussetzungen für ein solches Unterfangen bestehen. Alle Versuche, die von beiden Seiten in dieser Richtung unternommen worden sind, sind in zaghaften Ansätzen stecken geblieben oder es wurden langwierige, ineffektive Prozesse daraus gemacht. Eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland bedeutete für beide Länder mehr Wohlstand und soziale Gerechtigkeit und hätte auch positive Wirkungen auf die Nachbarländer in der Gestalt von mehr Frieden, Sicherheit und Vertrauen.

Mächte, die einem solchen Gedanken feindselig gegenüberstehen, sollten offen beim Namen genannt werden.
Das gleiche gilt auch für den kulturellen Bereich.

Die völlige Fixierung auf die Zeit der NS-Herrschaft hat im deutschsprachigen Kulturraum, besonders bei jüngeren Menschen, dazu geführt, allen gewachsenen, historischen und traditionellen Bindungen mit Misstrauen zu begegnen. Dem in erster Linie vom Westen aus unternommene massive Versuch, die kulturelle Eigenständigkeit im deutschsprachigen Kulturraum zu untergraben, liegt eine klare politische Motivation zugrunde und ist kein bedeutungsloser Vorgang. Die Entwicklung, die dadurch herbeigeführt worden ist, betrifft die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen.

Zum Abschluss möchte ich noch einiges erläutern zu meinem eingangs erwähnten Schreiben an die Griechische Botschaft. Die Auseinandersetzungen, die in diesem Schreiben geschildert werden, haben für mich ernste Konsequenzen gehabt.

In der westlichen Welt wird gerne der Begriff vom „freiheitlichen Rechtsstaat“ benutzt und in Verbindung damit die Demonstration moralischer Überlegenheit betrieben. Ich habe diese Tendenz nie uneingeschränkt unterstützen können, und meine persönlichen Erlebnisse decken sich nicht mit dem Begriff und den damit in Verbindung gebrachten Definitionen, sondern erinnern eher an die Methoden eines faschistischen Polizeistaates.

 

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Drews

 

Wie ersichtlich, ist in dem obigen Schreiben an die Ständige Vertretung der DDR, als sie noch zum Sozialistischen Lager gehörte, der Vorschlag einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der damaligen Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland gemacht worden. Wäre es zu einer solchen Zusammenarbeit gekommen, dann wäre die DDR mit ihrem sozialistischen System wirtschaftlich auf denselben Stand gelangt wie die Bundesrepublik Deutschland. Beide Wirtschaftssysteme hätten sich in ihren Vor- und Nachteilen zum Guten beider Systeme ergänzen können. Eine solche Entwicklung war aber von den großen Brüdern beider deutscher Staaten unerwünscht.

Otto von Bismarck(1815 – 1898) wollte ein Wirtschaftssystem, in dem privatrechtliches, staatsrechtliches und genossenschaftsrechtliches Wirtschaften nebeneinander bestehen sollten. Der Grundsatz des freien Wettbewerbs wäre so erhalten geblieben. Bismarck hat schon zu Beginn seiner Amtszeit in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts über Lothar Bucher Kontakt zu Karl Marx aufgenommen. Karl Marx hat darauf ablehnend reagiert. Lothar Bucher gehörte in Zusammenhang mit der Revolution 1848 zu den radikalen Demokraten und flüchtete nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung nach England und blieb dort zwei Jahre. Nach seiner Rückkehr wurde er ein enger Mitarbeiter Bismarcks, den er bis zu seinem Tode begleitete. Bismarck wollte auch das Recht auf Arbeit gesetzlich verankern, ein Gesetz, das es bis heute nicht gibt. Bismarck wollte auch die Kosten für die Sozialversicherungssysteme, die von ihm geschaffen wurden, dritteln. Ein Drittel Arbeitnehmer, ein Drittel Arbeitgeber und ein Drittel aus Steuermitteln. Das Vorhaben ist an der Reichstagsmehrheit, die sich dagegen ausgesprochen hatte, gescheitert. Was übrig blieb, war nicht das, was Bismarck ursprünglich geplant hatte. Wenn heute Herr Zumwinkel, der zur Führungsriege der Deutschen Post AG gehört, in Fernsehgesprächsrunden Bismarck die gegenwärtige Krise der sozialen Sicherungssysteme anlastet, dann zeugt das von geringer Geschichtskenntnis. Die von Bismarck eingeführten Sozialversicherungen haben zwei Kriege und zwei Inflationen überstanden.

Dem Schreiben vom 19. Juli 1988 an die Ständige Vertretung der DDR war auch ein Schreiben an die Griechische Botschaft vom 16. Februar 1985 beigefügt. Der Inhalt des Schreibens an die Griechische Botschaft nimmt Bezug auf die Militärdiktatur, der Griechenland von 1967 bis 1974 unterworfen war. In den Gefängnissen der griechischen Militärpolizei wurde bestialisch gefoltert. Auf zwei Inseln im ägäischen Meer, Leros und Jaros, wurden Internierungslager für politisch Unliebsame eingerichtet. Die Mitwirkung der USA an dieser Militärdiktatur ist unumstritten.

Die türkische Zyperninvasion 1974 erfolgte mit aktiver Unterstützung von Luftwaffen- und Schiffseinheiten der im Mittelmeer stationierten VI. US- Flotte. Das alles ist in Griechenland noch nicht vergessen. Darum hat US- Außenminister Enoch Powell seine während der Olympischen Spiele in Athen 2004 geplante Reise nach Griechenland abgebrochen. Die Stimmung in Griechenland war für einem solchen Besuch abträglich. Auch der amerikanische Präsident Bill Clinton wollte während seiner Amtszeit Griechenland einen Besuch abstatten, was aber auf Hindernisse stieß, obwohl er vorher eine Entschuldigung ausgesprochen hatte.

 

Es folgt der Inhalt eines  Schreibens mit Datum vom 31. Juli 1990 an die Ständige Vertretung der DDR :

 

Heinz Drews                                                                        Hamburg, den 31. Juli 1990

Postfach 605475

2000 Hamburg 60

 

 

 

An die

Ständige Vertretung der

Deutschen Demokratischen Republik

Godesberger Allee 18

5300 Bonn

 

Am 19. Juli 1988 habe ich ein schreiben an die Ständige Vertretung der DDR gerichtet. Eine Antwort habe ich darauf nie erhalten. Die Kopie dieses Schreibens habe ich beigefügt, dazu eine Stellungnahme, die ich am 6. August 1985 an den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Richard von Weizsäcker, gerichtet habe mit dem Antwortschreiben des Bundespräsidenten vom 27. August 1985.

Beigefügt ist ebenfalls ein Schreiben an die Botschaft des Staates Israel vom 30. Dezember 1989 sowie an die Botschaft der UdSSR vom 17. April 1990.

Was ich in zahlreichen politischen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht habe, ist nicht ohne Konsequenzen geblieben. Einiges davon wird andeutungsweise erkennbar in meinem Schreiben an die Israelische Botschaft vom 30. Dezember 1989.

Die gegenwärtige Entwicklung birgt große Gefahren für Deutschland, aber auch große Möglichkeiten, Möglichkeiten, die unwiederbringlich verloren sein können.

 

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Drews

Es folgt die Ablichtung des dazugehörigen Antwortschreibens der Ständigen Vertretung der DDR vom 2. August 1990 mit einer begleitenden Kommentierung.

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STÄNDIGE VERTRETUNG DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK

 

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Herrn

Heinz Drews Postfach 605 475

2000 Hamburg 60

                                                                                                                         Bonn, den 2. August 1990


Sehr geehrter Herr Drews,

Ihren Brief vom 31. Juli und den nochmals abschriftlich beigefügten vom 19. Juli 1989 haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen. Wir bedanken uns und übermitteln Ihnen den Wortlaut einer Rede von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere, die dieser am 21. Juni 1990 in Bonn gehalten hat.

 

                                                                                             Mit freundlichen Grüßen

Anlage:Antwortschreiben                                              
                                                                                                                    

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Eine Rede zur Wiedervereinigung

Dem Antwortschreiben der Ständigen Vertretung der DDR vom 2. August 1990 war der Wortlaut einer Rede beigefügt, die der damals amtierende Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, am 21. Juni 1990 in Bonn auf der Jahrestagung des Wirtschaftsrates der CDUe.V. unter dem Titel: „Deutschland in Europa“ gehalten hatte.

Daraus ein Zitat: „Die Welt steht im Zeichen dramatischer Umbrüche. Die ideologische und die militärische Konfrontation wandeln sich Schritt für Schritt hin zur Zusammenarbeit. Vorurteile werden überwunden, offene Grenzen sorgen für Austausch. Rundfunk und Fernsehen sichern politische Transparenz, Rechtsstaat, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft ermöglichen politische Freiheit und wirtschaftlichen Wohlstand.

Das Ergebnis der Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990 war ein klares Votum für Freiheit, Einheit und Wohlstand.

Wahlergebnis und Staatsvertrag sind ein klarer Schritt hin zur Einheit Deutschlands. Das Tempo der Einheit gibt für viele Anlass zur Sorge. Und in den letzten Tagen war von Ängsten über eine „Wirtschaftsfestung“ Deutschland und über eine „Wirtschaftsmacht“ Deutschland zu lesen. Auf diese Besorgnisse, die es schon lange gibt, will ich mit Thomas Mann antworten, der sagte: „Wir wollen ein europäisches Deutschland und nicht ein deutsches Europa.“

Welch ein optimistischer Ausblick, welch eine Perspektive. Der gegebene Ausblick, das wissen wir heute, war eine Fehleinschätzung. Die Rede war auch eine von den vielen Beschwichtigungsreden, die zu dem Zeitpunkt überall in Deutschland gehalten wurden. Es wurde gewarnt vor der „deutschen Gefahr“. Deutschland konnte niemanden gefährlich werden, dennoch wurde ein Popanz aufgebaut, mit dem viele eingeschüchtert wurden. Das Zitat von Thomas Mann lässt keine Alternativen offen. Es ist jene Denkkategorie, die schon soviel Unheilvolles gezeitigt hat. Es gab und gibt aber Alternativen. Europa muss nicht deutsch werden und Deutschland nicht europäisch. Europa setzt sich zusammen aus unterschiedlichen Völkern, Sprachen und Kulturen, und alle haben das Recht sich in ihrer kulturellen Eigenständigkeit frei zu entfalten. Den Deutschen soll dieses Recht aber mit Hinweis auf Hitler verweigert werden. Damit beginnt es, hört aber damit noch nicht auf. Es wird weiterhin unter den Völkern Europas ein Rivalitätsdenken gepflegt und kultiviert.

Deutschland ist jetzt europäisch geworden, und das Ergebnis dieser Politik haben wir greifbar vor Augen. Die Deutsche Mark wurde abgeschafft und durch den Euro ersetzt. Der Wohlstand, den Lothar de Maisière so rosarot auf das Bild der Zukunft gezeichnet hat, ist rückläufig. Dafür ist ein Wirtschaftskrieg entfacht worden. Während diese Zeilen geschrieben werden, wird in Brüssel per Gesetz die feindliche Übernahme von VW vorbereitet. Also nichts von Sozialer Marktwirtschaft, wie sie Lothar de Maisière seinen Zuhörern zukunftsträchtig vorgestellt hat. Die „Wirtschaftsfestung“ Deutschland soll fallen. Als Mittel dazu dient eine Diktatur des Geldes, die mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar ist. Die Gewerkschaften sehen allem tatenlos zu, und nicht nur das, sie fördern diesen Prozess sogar noch. IG- Metall- Chef Zwickl saß mit zu Tisch, als Mannesmann an Vodafone verscherbelt wurde. Herr Zwickl und seine kapitalistischen Genossen sind für ihre Tat noch reichlich belohnt und unlängst in einem Prozess in Düsseldorf von einer Jugendrichterin freigesprochen worden. Darum, wenn deutsche Traditionsunternehmen in der bewährten Methode in ausländische Hände überführt und die Sozialleistungen, mit denen deutsche Unternehmen in der Welt immer noch an der Spitze stehen, drastisch zusammengestrichen werden, dann ist von Gewerkschaftsfunktionären kein Widerstand zu erwarten. Wer als Deutscher dann seine Stimme erheben wird, der ist dann eben ein „Nationalist“. Jeder weiß dann schon, was gemeint ist. Das war schon so, als ausländische Arbeitskräfte auf deutschen Baustellen für den halben Preis gearbeitet haben. Da wurde von Gewerkschaftsfunktionären auch die Losung ausgegeben: Keine Ausländerfeindlichkeit am Bau.                                                                                                                                                                              

Darüber hinaus haben die Gewerkschaften mit ihren maßlosen Forderungen wie 35- Stundenwoche und sechs Wochen Urlaub im Jahr die deutsche Wirtschaft konkurrenzunfähig gemacht. Jetzt, wo die Früchte dieser unvernünftigen Politik reifen, lassen die Gewerkschaften und ihre Führungspersönlichkeiten, ihre Mitglieder im Regen stehen.

Lesen wir weiter, was DDR- Ministerpräsident Lothar de Maisière in seiner oben angeführten Rede noch zu sagen hat: „Sicher: Es entspricht den Tatsachen, daß das vereinigte Deutschland zwischen Rhein, Oder und Neiße mit seinen 80 Millionen Menschen nicht nur in Europa, sondern auch im Verhältnis zu den USA und Japan einen weiteren wirtschaftlichen Kraftzuwachs erfahren wird.“

Heute wissen wir: Deutschland taumelt von einem wirtschaftlichen Schwächeanfall in den anderen. Von einem „Kraftzuwachs“ ist nirgendwo etwas erkennbar.

Lothar de Maisière, ehemals Ministerpräsident der DDR, musste seine Politikerkarriere gar bald beenden, weil er als Stasi- IM „enttarnt“ wurde. Pech, weil die Gnade seiner politischen Existenz weiter östlich angesiedelt war. Seinem Partner im Wiedervereinigungsgeschäft, Helmut Kohl, konnte so etwas nicht passieren. Ein Verwaltungsgericht in Berlin hat den Einblick in seine Stasi- Akten untersagt. Die Stasi, so ist dazu mitgeteilt worden, habe nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln gearbeitet. Wie das, hat sie etwa gegenüber unseren „Brüdern und Schwestern“ im Osten mit rechtsstaatlichen Mitteln gearbeitet? Ein westdeutscher Politiker hat sich doch immer in einem sittlich hochstehenden Staatsgefüge bewegt. Der brauchte doch gerade gegenüber Stasi- Akten kein schlechtes Gewissen haben. Oder vielleicht doch?

Die Einstellung zur Nation war zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung in den beiden deutschen Staaten grundverschieden. Im Westen ging das Verlangen eher nach „Ballermann“ auf Mallorca. Schutt aufräumen in Magdeburg oder Leipzig, das lag den Menschen gerade im Westen so fern. Die DDR ist unter ganz anderen Bedingungen vom Start gegangen, als der Westen Deutschlands. Wenn das Jahr 1945 im Westen als „die Stunde null“ angesehen wurde, dann müssen wir für die DDR sagen –10. Das Jahr 1945, und was unmittelbar danach kam, war längst vergessen oder wurde leicht spöttisch übergangen.

Eine nationale Freude über die Wiedervereinigung durfte nicht sein. Das hätte die übrige Welt als eine „Gefahr“ angesehen. Um jeden Verdacht zu entkräften, musste internationaler Geist, oder was dafür angesehen wurde, Einzug halten. Kulturell und anders. Die Deutschen sind das reiselustigste Volk, ist nicht selten zu vernehmen. Sie haben auch die meiste Zeit dazu. Wer wird einmal an ihre Stelle treten, wenn es dazu nicht mehr reicht, denn die Arbeitslosigkeit steigt und steigt. Wer transportiert dann harte Währung in arme Länder? Wer wird die Waren kaufen, die deutsche Unternehmer in Billiglohnländern für den deutschen Markt produzieren?

Denn die Löhne, die in diesen Ländern gezahlt werden, reichen nicht für die Menschen, um das zu kaufen, was sie produzieren. Das ist planlose Wettbewerbswirtschaft, und die wird dahin führen, wo planlose Planwirtschaft auch schon einmal hingeführt hat.

Diese Ausbeutungswirtschaft läuft sich selber den Rang ab. Dieser Wirtschaftskrieg wird teuer. Feindliche Übernahmen kosten Geld, zwei und dreistellige Milliardensummen müssen für ein anvisiertes Objekt bereit gestellt werden, da bleibt für Investitionen und soziale Belange nichts übrig. Was an Arbeitskosten gespart wird, können die Aktionäre an der Börse einstreichen. Das könnte der Grund sein, warum Massenentlassungen zu einem Kursanstieg an der Börse führen.

Deutschland ist jetzt europäisch geworden, hoffentlich sind jetzt alle zufrieden. Die Frage muss jetzt lauten: Sollen die europäischen Volkswirtschaften sich in einem Wirtschaftskrieg aufreiben oder sollen einheitliche soziale Standards geschaffen werden?

Der Westen hat zwei politische Ziele erreicht, die mit der Wiedervereinigung Deutschlands in Zusammenhang stehen: Eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung hat in Deutschland nach der Wiedervereinigung nicht stattgefunden und zu einer Zusammenarbeit mit Russland ist es nicht gekommen. Beides war gewollt.

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