Lutherrose
Neu 01
An die Griechiche Botschaft

Heinz Drews                                                                      Hamburg, 16. 2. 1985

Sierichstraße 106

2000 Hamburg 60


 

An die

 

Griechische Botschaft

 

Rheinallee 34

 

532 Bad Godesberg

 

 

Am 4. Januar 1985 erschien in der Tageszeitung „Die Welt“ ein Bericht über einen Prozess, der vor dem Athener Landgericht stattgefunden hat. In diesem Prozess wurden drei protestantische Missionare verurteilt, die versucht hatten ein dreizehnjähriges Mädchen zu bekehren. In diesem Bericht wurde, nach Erläuterung des Tatbestandes, Klage erhoben, dass in Griechenland, obwohl dieses Land Mitglied der Nato sei, keine Glaubensfreiheit gewährt werde und dazu Relationen zur Metaxas- Diktatur hergestellt. Weiter wurde in diesem Bericht ausgeführt, dass die EEA(Europäische Evangelische Allianz) die Absicht habe, gegen das im besagten Prozess ergangene Urteil zu protestieren. Erlauben Sie mir bitte, zu dem geschilderten Ereignis eine Stellungnahme abzugeben.

Zunächst zum Protest der EEA. Hier handelt es sich nicht zuletzt um protestantische Freikirchen, und auf Grund vieler persönlicher Erlebnisse, aber nicht nur deshalb, möchte ich diesen Kreisen nicht so ohne weiteres zubilligen, so lauthals nach Toleranz und Glaubensfreiheit zu rufen. Ich habe mit diesen protestantischen Freikirchen auf dogmatischem Felde einige Meinungsverschiedenheiten gehabt, die sich über Jahrzehnte hingezogen haben, wodurch meinem Leben und dem Leben meiner Familie viel Leid entstanden ist, weil Toleranz nicht gerade die Stärke dieser christlichen Kreise ist, die sich selber auch auf  dogmatischem Gebiet für unfehlbar halten.

Wenn es darum geht aus christlicher Sicht, zu politischen und gesellschaftlichen   Entwicklungen der Gegenwart Stellung zu nehmen, so stößt man bei den erwähnten protestantischen Richtungen auf merkwürdige Tendenzen, die hergeleitet werden aus den prophetischen Büchern des Alten und des Neuen Testamentes der Heiligen Schrift.

Ich möchte das an einem Beispiel erläutern, dem viele andere Beispiele hinzugefügt werden könnten.

Im Neuen Testament, im Buch der Offenbarung des Johannes, steht im 13. Kapitel, Vers 1 folgendes:

Da sah ich wie ein Tier emporstieg aus dem Meere. Es hatte zehn Hörner und sieben Köpfe; auf seinen Hörnern waren zehn Kronen, auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen. -

Die in diesem Bibelabschnitt genannten zehn Hörner werden gleichgesetzt mit den zehn Staaten der Europäischen Gemeinschaft, die eine antichristliche Herrschaft hervorbringen werden und somit als Ursprung des Bösen gelten.

Sie gelten nicht nur als Ursprung des Bösen, sondern sind dazu, nach Lehre der genannten protestantischen Gruppen, auf Grund einer göttlichen Vorsehung, prädestiniert. So werden die mystische Symbolik der prophetischen Bücher des Alten und Neuen Testamentes ganz konkret angewandt auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen der Gegenwart und auf politische Tagesereignisse.

Dieses politisch- theologische Dogma hat Konsequenzen, die man nicht unterschätzen sollte, ebenso wenig die politische Macht, die hinter diesem Gedankengut steht. Eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, auch im Sinne ethischer und dogmatischer Prinzipien des christlichen Glaubens, werden gar nicht erst angestrebt, da dies von der göttlichen Allmacht in den prophetischen Büchern nicht vorgesehen ist. Entwicklungen, auch wenn sie nicht mit den Prinzipien des christlichen Glaubens übereinstimmen, finden ihre Rechtfertigung durch die ganz einfache Erklärung, es sei ja in den prophetischen Büchern so niedergeschrieben und müsse daher auch so geschehen.

So arbeiten jene protestantischen Kreise nicht nur für, sondern auch gegen das Evangelium und verrennen sich ständig in Widersprüche.

Es handelt sich um eine Theologie der Macht, die es Mächten und Individuen gestattet, Entscheidungen zu treffen, losgelöst von ethischen Prinzipien, auch losgelöst von Prinzipien des christlichen Glaubens, sie berufen sich auf das, was prophezeit ist und daher zwangsläufig so kommen muss.

Persönlich habe ich mich immer gegen dieses Polit- Evangelium gewandt, aus diesem Grunde wurde ich aus den Kreisen der protestantischen Freikirchen „entfernt“.

Ich halte es für unzulässig, dass die mystische Symbolik der prophetischen Bücher des Alten und des Neuen Testamentes der Heiligen Schrift eine Interpretation erfahren, die es Mächten und Individuen gestattet sich jenseits von Gut und Böse zu stellen, dass damit über Mächte und Individuen Gericht gehalten wird und Handlungen begangen werden, die den ethischen Prinzipien der Heiligen Schrift zuwiderlaufen, alles mit der Begründung, dass zu entsprechenden Entscheidungen und Handlungen eine göttliche Prädestination vorliege.

Es gibt in der Heiligen Schrift keine Grundlage dafür, Handlungen, die Machtmissbrauch und Unrecht darstellen, mit dem Prädikat einer göttlicher Vorsehung zu versehen. Ich musste im Juni 1963 eine von protestantischen Kirchen aus den USA betriebene Missionsschule verlassen, weil ich nicht bereit war, eine politisch- prophetisch verbrämte Evangliumsver-

kündigung zu unterstützen.

Nach meiner Rückkehr nach Deutschland wurde ich von Vertretern protestantischer Freikirchen und von entsprechenden Gruppen der Ev. Luth. Kirche noch amerikanischer behandelt als von den Amerikanern selbst.

Ich kündigte meine Mitgliedschaft in einer Baptistengemeinde und wurde wieder Mitglied in der Ev. luth. Kirche, was mir prompt als Abfall vom „wahren Glauben“ angekreidet wurde.

Durch meine Auseinandersetzungen mit Vertretern protestantischer Kirchen aus den USA, ist mir aber ein noch weit schwerwiegenderer Vorwurf erwachsen, nämlich: „Antiamerikanismus“

In der Amerikanischen Botschaft hat man es offenbar nicht so gesehen. Die Kopie einer Antwort der US-Botschaft auf eine Stellungnahme von mir habe ich diesem Schreiben beigefügt.

Protestantische Gruppen der verschiedensten Art nehmen oft eine sehr ablehnende Haltung gegenüber den großen christlichen Konfessionen ein wie der Orthodoxen Kirche, der Katholischen Kirche und auch der Ev. Luth. Kirche. Sie halten sich auf Grund eines bestimmten sittlichen Verhaltens für die besseren Christen. Es ist sehr zweifelhaft, ob das so uneingeschränkt bejaht werden kann, das gilt gerade auch für deutsche Verhältnisse. Während der NS- Herrschaft haben viele Mitglieder, Geistliche und Theologen der beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland Widerstand geleistet, besonders als offenbar wurde, dass es Hitlers Ziel war, den christlichen Glauben und christliche Traditionen in Deutschland auszurotten.

Das Verhalten der protestantischen Freikirchen zeigt hierzu deutliche Unterschiede. Ich möchte es vorsichtig und liebevoll so formulieren: Ein christlicher Widerstand von Seiten der protestantischen Freikirchen während der NS- Herrschaft hat nicht stattgefunden, wobei ich erläuternd hinzufüge, dass ich nicht so schnell Menschen verurteile, die aus Angst vor den rücksichtslosen Machenschaften einer Diktatur handeln. Die Zuneigung, die faschistische Regierungsformen und protestantische Freikirchen füreinander empfinden, hat schon Tradition. Das beweist auch ein Bericht im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vom 4.2. 1985

Über die Aktivitäten protestantischer Freikirchen in Süd- und Mittelamerika.

Die griechische Militärdiktatur der Jahre 1967- 1974 firmierte ja auch unter der Überschrift:

„Griechenland, der Staat der Hellenen und Christen“. Über die Urheberschaft dieser Militärdiktatur gibt es weltweit kaum noch irgendwelche Zweifel. Die politischen Ereignisse in und um Griechenland berühren mich deshalb persönlich, weil ich familiäre und verwandtschaftliche Bindungen in diesem Lande habe.

Abschließend möchte ich noch einmal feststellen: Ich erhebe mit meiner Stellungnahme nicht den Anspruch, die einzig richtige Sicht der Dinge zu besitzen. Es ist auch besonders bedauerlich, dass zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen immer noch tiefe Gräben bestehen. Das christliche Zeugnis, das diese Welt und diese Zeit so dringend brauchen, wird dadurch sehr geschwächt.

 

   Mit vorzüglicher Hochachtung
   Heinz Drews29                  

 

Das Ägernis

Seiten Anfang48

Verantwortlich für den Inhalt der Seiten,Copyright © 2003-2005: Heinz Drews

weiter03