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Deutschland zahlt
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Deutschland zahlt

Deutschland blieb so für die Kurie eine Haupteinnahmequelle, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen Höhepunkt erreichte. Reliquienhandel, Wallfahrten, Ablass- und Jubelgelder ergaben eine vorzügliche Einnahmequelle, die über die zu zahlende Kirchensteuer hinaus kräftig sprudelte. Besonders hervorzuheben sind die Annaten, Kaufpreise, die gezahlt werden mussten bei Erledigung eines Erzbistums oder Bistums, das bei Abgang eines Inhabers neu besetzt werden musste. Erbfolge schied wegen des Zölibats aus.

Ein vakant gewordener Erzbischofssitz und der damit verbundene Ablasshandel waren der eigentliche Auslöser der Reformation. Die brandenburgischen Hohenzollern wollten für eines ihrer Glieder das größte geistliche Kurfürstentum, Kurmainz, mit dem zugleich die Kurwürde verbunden war, hinzugewinnen. Albrecht von Brandenburg hatte schon den Bischofssitz von Halberstadt und den Erzbischofssitz von Magdeburg inne. Als nun der Erzbischofsitz von Mainz vakant geworden war, erstrebte er zusätzlich diese in mehrfacher Hinsicht einträgliche Position, die ihm zugleich die Stellung eines Primas von Deutschland einbringen sollte.

Dieses Amt hatte seinen Preis, 10.000 Goldgulden waren erforderlich. Aus der Diözese ließen sich die Gelder nicht mehr beschaffen. Drei Erzbischöfe waren innerhalb von zehn Jahren verstorben. Das Erzbistum war finanziell ausgeblutet. Das Sprengel bot Albrecht von Brandenburg die Würde an mit der Bedingung, er müsse die zu zahlende Gebühr aus eigener Tasche beibringen. Drei Bischofssitze auf einmal zu besetzen war eine Regelwidrigkeit, aber er hoffte durch zusätzliche Zahlungen an den Stuhl Petri, auf dem der Medicipapst Leo X. (1475- 1521) saß, etwaige Bedenken zu überwinden. Leo X. vergeudete einen großen Teil seiner Einnahmen mit Karneval, Kriegen, Spielen und Jagten. Ein sehr toleranter Papst in gewisser Hinsicht. Die Verhandlungen Albrechts mit dem Papst begannen. Vermittler dazu war das Bankhaus Fugger. Es besaß das päpstlich autorisierte Finanzmonopol in Deutschland. Die Fugger hatten mit ihrem Sitz in Augsburg, die Stadt zu einem zentralen Finanzplatz in Europa gestaltet. Um Schulden zu bezahlen wurden Ablässe ausgeschrieben, und den Fuggern stand das Recht zu, die Einsammlung zu überwachen. Die Forderungen des Papstes beliefen sich auf 12.000 Gulden nach der Zahl der zwölf Apostel. Albrecht bot 7.000 nach der Zahl der sieben Todsünden. Die Verhandlungspartner einigten sich auf 10.000, ob symbolisch auf die Zehn Gebote gedeutet, ist nicht belegt.

Der Papst half dem Erzbischof Albrecht, den finanziellen Aderlass zu überwinden, denn auch die Fugger wollten ihren Anteil für die weiterhin zu zahlenden 10.000 Gulden, die sie gegen einen guten Zinssatz vorgestreckt hatten. Albrecht erhielt das päpstliche Privileg, acht Jahre in seinem Herrschaftsbereich Ablassbriefe zu vertreiben. Einem erworbenen Ablassbrief war die Funktion zugedacht, von zeitlichen und ewigen strafen zu befreien.

Das war die Situation im geistlichen Herrschaftsbereich, als 1517 die Morgenröte der Reformation anbrach.

Als Adam wob und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?

Dieser Ausruf wurde erhoben, diese Frage wurde gestellt als ein Protest gegen die Schichtung der Gesellschaft mit ihren sozialen Folgen. Es war kein theologischer Protest, es war ein sozialer Protest.

Die Lasten wurden abgewälzt auf breite Bevölkerungsschichten der Handwerker und Bauern, wobei die Bauern in der immer noch vorherrschenden agrarwirtschaftlichen Struktur den größten Bevölkerungsanteil stellten.

Wie gestaltete sich das Leben in der weltlichen städtischen Gesellschaft? In der freimachenden Stadtluft? Wie Menschen der Zeit das Leben in einer mittelalterlichen Stadt betrachteten. An der Spitze standen die patrizischen Geschlechter, eine Art städtischer Adel mit der wohllautenden Bezeichnung „Ehrbarkeit“. Sie saßen im Rat und den städtischen Ämtern von entscheidendem Gewicht. Sie verwalteten die Einkünfte und Reichtümer und sicherten sich so die Schlüssel- und Schaltstellen der Macht, die zu überwinden wohl unternommen wurde, aber selten zum Erfolg führte. Die Machtfülle, die ihnen zufiel, schuf die Möglichkeit, Handelsmonopole zu errichten, Brücken, Wege und Torzölle zu erheben. Da lies sich manche Einkommensquelle erschließen. Anrechte auf Nutzung der Wälder, Wiesen oder Jagdrechte, alles was einmal Gemeingut gewesen war oder sein sollte, fiel in ihre immer ausgestreckten Hände. Vergabe und Erhalt von Zunftprivilegien, Meisterschafts- und Bürgerechten hatten ihren Preis. Bauern, die dem patrizischen städtischen Herrschaftsbereich unterworfen waren, standen sich nicht besser als die hörigen und leibeigenen Bauern unter der Feudalherrschaft mit all ihren kleinen und großen Willkürlichkeiten.

Zwei Fraktionen, die bis zu einem gewissen Grade das Stadtleben mit gestalten konnten, lassen sich für die Zeit ausmachen. Da war das Bürgertum, dreifach gegliedert, wenn auch nicht gespalten, so doch auch kein monolithischer Block. Es gab die ausgesprochen wohlhabenden Bürger, die auf der mittleren Ebene angesiedelten und das Kleinbürgertum der

Kaufleute, Zunftmeister und Handwerksgesellen. Sie standen den Patriziern im Ringen um Macht und Einfluss gegenüber, stritten um ihre verfassungsrechtliche Stellung, um Mitwirkung am Gesetzgebungsprozess und um Mitspracherecht in der Gemeindeversammlung.

Neben der bürgerlichen gab es die plebejische Opposition, Stadtbewohner ohne Bürgerrechte, in der Hauptsache Handwerksgesellen und Tagelöhner, ausgediente Landsknechte auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten. Sie schlossen sich in den Bauernkriegen( 1524 und 1525) irgendeiner Partei an.

Zwischen allen stand der niedere Klerus, der zwar ein bescheidenes Dasein führte, aber den Härten des mittelalterlichen Lebens vielfach auszuweichen verstand, was manchen Unmut auslöste.

Die Abhängigkeiten der Stadtmenschen nahmen sich erträglicher aus als die Abhängigkeiten, denen die Bauern im agrarwirtschaftlichen Bereich gemeinhin unterworfen waren.

Wie gestaltete sich das Leben der Bauern wenige Jahre nach der Reformation 1517? Neben der Befreiung vom Herrschaftsanspruch der Kirche, der theologisch dogmatisch begründet war mit Auswirkungen auf die materiellen Lebensverhältnisse, forderten die Bauern auch eine politische Befreiung, die sie theologisch zu begründen versuchten.

Die sozialen Strukturen, wie sich zum Zeitpunkt der Reformation ausgebildet hatten, waren das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, der mit all seinen Unterdrückungsmechanismen um 1400 seinen Anfang genommen, was bereits im Verlaufe des 15. Jahrhunderts mehrfach zu Bauernaufständen geführt hatte. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts hatten sich die drückenden Lasten noch gesteigert.

Als das größte Ärgernis wurde die Leibeigenschaft empfunden. Der leibeigene Bauer stand im Gegensatz zum Hörigen, dem ein Grundherr im Rahmen der Grundherrschaft Land gegen Abgaben und Dienste zur Bewirtschaftung zur Verfügung stellte, es also als Lehen im Sinne von ausgeliehen empfing. Der Leibeigene war nicht dinglich in Verbindung mit Grund und Boden, sondern persönlich abhängig. Er war einem Leibherrn verpflichtet durch jährliche Abgaben und Dienste. Das Ausmaß der Forderungen, die von den Grundherren gegenüber Hörigen und Leibeigenen erhoben wurden, waren von Region zu Region und von Grundherrschaft zu Grundherrschaft nicht einheitlich. Es gab in der politischen Realität für diese Forderungen keine Rechtsgrundlage, die einklagbar gewesen wäre, und auf die sich die Untertanen hätten berufen können. Eine Rechtssicherheit gegen Willkür gab es nicht.

An den Diensten und Abgaben, die oft ein erträgliches menschenwürdiges Dasein unmöglich machten, hat sich der Große Deutsche Bauernkrieg am Endes des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts entzündet, und an dem Bestreben der Bauern nach rechtlicher Absicherung und Etablierung als Stand in der sich umformierenden Gesellschaft der Zeit.

Das Aufstandsgebiet beschränkte sich in seiner Ausdehnung auf den südwestdeutschen Raum mit einer Verlängerung bis hinauf nach Thüringen und den Ausläufern des Harzes. Waren die Zustände in den anderen Gebieten des Reiches besser? Die Frage gilt besonders für Norddeutschland in seiner Länge und Breite, das vom Aufstand verschont blieb.

Die Institutionalisierung der Leibeigenschaft hatte ihre Ursachen und eine Zielsetzung. Es waren damit nicht nur die auferlegten Lasten verbunden. Sie bedeutete auch eine drastische Einschränkung persönlicher Freiheiten. Dem Leibeigenen war es unmöglich den Grundherrn, oder wie es auch hieß, den Schutz- und Schirmherren, frei zu wählen und zu wechseln. Eine Flucht in die Stadt war ebenso ausgeschlossen. Adel, weltlicher und geistlicher, und letztlich auch die Städte, die mit ihren Herrschaftsstrukturen an der Leibeigenschaft Teil hatten, weil auch sie im Vorfeld der Stadtmauern Agrarwirtschaft betrieben, handelten solidarisch. So war den Bauern, die den weitaus überwiegenden Teil der Bevölkerung stellten, jede Möglichkeit genommen, dem System zu entfliehen. Die Beseitigung der Freizügigkeit betraf auch die Wahl des Ehepartners. Ehen zwischen Leibeigenen und Nichtleibeigenen oder Ehen zwischen Leibeigenen verschiedener Grundherrschaften sogenannte „ungenossame Ehen“ wurden mit empfindlichen wirtschaftlichen Sanktionen geahndet. Je nach Besitzstand wurde ein nicht geringer Teil des Besitzes konfisziert. Ein anderes Beispiel für den Einfallsreichtum, um die Menschen der Zeit, die ohnehin am unteren Ende der Einkommensscala standen, um es modern auszudrücken, zu schröpfen, ist der „ Todfall“. Beim Nachlass eines verstorbenen Leibeigenen oder Hörigen musste das „Besthaupt“ und das „Bestgewand“, also das beste Stück Vieh und das beste Gewand überlassen werden. Noch drückender waren die Lasten, die fortlaufend geleistet werden mussten: Grundherrliche, gerichtsherrliche und landesherrliche Abgaben.

An der Spitze vielfältig zu leistenden Abgaben standen die Zinsen oder Gülten. Zinsen in diesem Zusammenhang nicht zu verwechseln mit Zinsen für geliehenes Geld. Sie mussten jährlich geleistet, zumeist in Naturalien wie: Getreide, Geflügel, Wein, Käse Eier oder auch die „Küchengefällen“, Früchte aus Garten- und Obstanbau.. Selbst Kleinbauern und Gartenbesitzer waren von Abgaben nicht befreit. Mit dem ausgehenden 15. Jahrhundert hatte eine kontinuierliche Preissteigerung eingesetzt , weshalb feudale Grundherren die Abgaben in Naturalien vorzogen. Die Höhe der Abgaben war von Hof zu Hof unterschiedlich, sie betrugen, so haben Untersuchungen ergeben, zwischen 20- 40% des Bruttobetrages.

Da die Verpflichtungen für den Zeitraum eines Jahres festgelegt waren, entstand bei Missernten, die im Durchschnitt alle zehn Jahre zu erwarten waren, eine kritische oder existenzbedrohende Situation. Wenn die fixierten Abgaben durch Missernten nicht mehr geleistet werden konnten, weil die Ernteergebnisse die eingeforderten fixierten Erträge nicht mehr hergaben, und die Bauern auf das Saatgut zurückgreifen mussten oder zu Krediten Zuflucht nehmen, war es oft das Ende. Der Kreditgeber wandte sich in Fällen der Nichteinhaltung auferlegter Verpflichtungen an den „Blutzapfen“, eine für den Zweck der Schuldeintreibung bestehende Söldnertruppe.

Mit der Erhebung des Grundzinses, wie beschrieben, war die Liste der Forderungen nicht erschöpft. Die nächste Bürde waren der „Große Zehnt“ und der „Kleine Zehnt“. Der Große Zehnt umfasste die Getreidearten und den „Weinzehnt“, der Kleine Zehnt betraf die Gartenfrüchte und den „Heuzehnt“. Dazu gab es noch den „Blutzehnt“, der die gesamte Viehhaltung einschloss. Der „Zehnte“ wurde zurückgeführt auf den hebräischen Kanon der Heiligen Schrift. Er wurde im Israel der Antike jährlich erhoben auf alles Einkommen und den Besitz. Wenn das in einer Begriffsumwandlung als Steuer bezeichnet werden könnte, dann ist 10% nicht viel, und wir sind zu der Feststellung gezwungen, dass im Verlaufe der Jahrhunderte und Jahrtausende dieser Steuersatz drastisch erhöht worden ist.

Bei Besitzwechsel eines Hofes gab es obendrauf den „ Handlohn“, den der neue Besitzer bei Übernahme des Hofes zu entrichten hatte.

Ein Streitpunkt, der den Zorn des Bauernvolkes oft hervorrief und steigerte, ergab sich um die Nutzung der „Allmende“. Das waren Flächen in Wald, Wiesen und Ackerland, die einmal gemeinwirtschaftlich genutzt worden waren. Es waren althergebrachte Rechte, die bis in die Zeit des ausgehenden Mittelalters in größerem Umfang gegolten hatten. Die Nutzungsrechte waren in einer auf einen längeren Zeitraum angelegten Entwicklung immer weiter eingeschränkt worden. Bäche, Flussläufe, Wälder, Wiesen und Ackerland waren in vermehrtem Umfang „gebannt“ und so dem gemeinen Nutzungsrecht entzogen worden. Das traf die Bauern noch einmal mehr, denn sie mussten für die Bewässerung ihrer Felder aus gebannten Bächen und Flüssen zusätzliche Abgaben leisten. Das galt auch für die Nutzung der Wälder, die einen lebenswichtigen Rohstoff als Brenn- und Heizmaterial lieferten. Für das Betreten gebannter Wälder war eine Genehmigung nötig, und die so erworbenen Nutzungsrechte waren nicht umsonst. „Forsthennen“, „ Forstkäse“ oder „Forsteier“ mussten dafür abgeliefert werden. Die dafür gewählte Bezeichnung hatte etwas mit Wald und Forst gemein. Die freie Nutzung der Wälder, ein altes Recht hatte sich nachteilig ausgewirkt und den Bestand gefährdet. In der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden aus diesem Grunde landesherrliche Waldordnungen erlassen, die Aufforstungen und Schonung vorgeschriebener Baumarten vorsahen. Die Menge an Holz, das den Wäldern als Brennmaterial entnommen werden durfte, war reglementiert. Die Gewinne aus den Wäldern, die durch Holzverkauf erzielt wurden, flossen ausschließlich in feudalherrschaftliche Kassen. Adel und Klöster hatten sich ein Monopol gesichert, und so das Geschäft für sich beansprucht. Freie Jagt und freier Fischfang waren eingeengt. Gegen eine Sondergenehmigung gab es Ausnahmen für schwangere Frauen und in Krankheitsfällen.

Die Jagdleidenschaft feudaler Herren führte zu weiteren Auflagen, verbunden mit mancherlei Rücksichtslosigkeiten. Die Felder wurden verwüstet, und als ob es noch nicht genug gewesen wäre mit den Fronen und Zinsen, wurden Jagdfronen und Jagdzinsen auferlegt. Die Jagdgesellschaft und die Hundemeute mussten während der Dauer der Jagd beköstigt und mit allem versehen werden. Zu dem mussten die Bauern sich als Treiber zur Verfügung stellen.

In unterschiedlichem Ausmaß konnten Frondienste verlangt werden. Die Angaben schwanken zwischen drei bis sechzehn Tagen im Jahr. Sie umfassten Transport- und Spanndienste, Wald- und Feldarbeiten, Garn spinnen, Tücher weben, Korn mahlen und Bier brauen.

Die Aufgaben für die bäuerliche Gesellschaft waren von großer Vielfalt, die Entlohnung war das weniger.

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